Riseup4Rojava: Solidarität symbolisch und praktisch auf die Straße bringen

Riseup4Rojava ruft nach der Erdbebenkatastrophe in Kurdistan, Syrien und der Türkei dazu auf, Solidarität symbolisch und praktisch auf die Straße zu bringen: „Die Tage des Faschismus sind gezählt, eine neue Welt erhebt sich am Horizont.“

Die internationale Kampagne Riseup4Rojava hat nach der Erdbebenkatastrophe in Kurdistan, Syrien und der Türkei einen Aufruf an die „Verbündeten der Revolution von Rojava und alle antifaschistischen, antiimperialistischen und demokratischen Kräfte“ veröffentlicht. Rund drei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben sei deutlich geworden, dass der türkische Staat im Zuge dieser Krise vor keinem Mittel zurückschreckt, um aus der Katastrophe politischen Profit zu schlagen, stellt die Kampagne einleitend fest. Weiter heißt es in dem Appell:

„Das AKP/MHP-Regime hat die Menschen in Nordkurdistan und der Türkei aus Profitgier lebendig begraben und muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Die Art und Weise, wie das Regime mit den Folgen des Erdbebens umgeht, ist eine Fortsetzung des Genozids am kurdischen Volk, und wir erwarten weitere Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Vom Staat allein gelassen, entdecken die Menschen ihre eigene Stärke wieder, zeigen sich solidarisch und knüpfen damit an die Erfahrung der selbstverwalteten Autonomie an, die sich bis zur Zerstörung kurdischer Städte durch türkische Panzer im Jahr 2015 tiefgreifend entwickelt hat. Dies muss auch von außen unterstützt werden. Der faschistische türkische Staat, der sich dieser Tatsache wohl bewusst ist, scheint die Situation jetzt zu nutzen, um einen demografischen Wandel in Nordkurdistan zu erzwingen.

Spenden an den Kurdischen Roten Halbmond

Angesichts der humanitären Katastrophe rufen wir weiterhin zu Spenden für den Kurdischen Roten Halbmond auf. Hunderttausende Menschen sind durch das Erdbeben obdachlos geworden, und die Versorgung mit dem Nötigsten ist begrenzt. Türkische Hilfsorganisationen sind durch die Bank weg zu Werkzeugen des Regimes geworden und ob die Spenden wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden, ist höchst fraglich.

In Rojava, wo das von der Türkei illegal besetzte Gebiet Efrîn und das unter syrischer Blockade stehende Stadtviertel Şêxmeqsûd in Aleppo besonders betroffen sind, wird die Hilfe aus den selbstverwalteten Gebieten blockiert. Die Kontrolle über die Verteilung der internationalen Hilfsgüter, die über die Türkei in die umstrittenen Gebiete gelangen, liegt bei den islamistischen Banden der so genannten Syrischen Nationalen Armee (SNA) und dem syrischen Al-Qaida-Ableger HTS (Hay'at Tahrir al-Sham), der Berichten zufolge den Kurd:innen die Zuteilung vorenthält.

Sowohl was die Berichterstattung über die Türkei als auch über die Situation in den besetzten Gebieten in Rojava/Syrien angeht, ist die internationale Presse weitgehend enttäuschend: Auf der einen Seite der Grenze wird weder erwähnt, dass die Opfer des Erdbebens überwiegend Kurd:innen, Alevit:innen und Araber:innen sind, noch dass sich die Menschen in der Region intensiv demokratisch engagieren. Auf der anderen Seite der Grenze werden ehemalige Al-Qaida-Führer kurzerhand als syrische Rebellen dargestellt.

Während das riesige türkische Militär auch 24 Stunden nach dem Erdbeben noch nicht zur Rettung der Überlebenden ausgerückt ist, hat die Türkei Artillerieangriffe auf die vom Erdbeben betroffenen Menschen in Tel Rifat durchgeführt. Die Drohnenangriffe in Rojava gehen unvermindert weiter, ebenso wie der Krieg gegen die Guerilla in den Bergen Südkurdistans, obwohl das Zentralkomitee der PKK kurz nach dem Erdbeben einen einseitigen Waffenstillstand angekündigt hatte. Berichten zufolge werden weiterhin chemische Waffen eingesetzt.

Wie viel kostet eine Artilleriegranate?

Jetzt sind enorme Anstrengungen erforderlich, es müssen sichere Unterkünfte eingerichtet, die Verteilung von Nahrungsmitteln und Trinkwasser organisiert und Tausende von Häusern gebaut werden. Eine einzige Artilleriegranate, die auf unsere Genossinnen und Genossen in Rojava oder in den Bergen Südkurdistans abgefeuert wird, kostet mindestens 1.000 Dollar. Jede Woche werden Hunderte Granaten abgefeuert. Die Flugstunden von Dutzenden von Kampfhubschraubern, Jets und Drohnen verschlingen Milliarden, und das in einer Zeit, in der die angeschlagene türkische Wirtschaft alle Ressourcen ausschöpfen sollte, um den Opfern des Erdbebens zu helfen. Die Prioritäten des Regimes werden einmal mehr deutlich: Der Völkermord am kurdischen Volk und der Kampf gegen die Revolution in Rojava, gegen jeden Ansatz zur Demokratisierung in der Türkei, gehen weiter, während die Bevölkerung ausgepresst wird, für den Profit und den Krieg des Regimes und des tiefen Staates.

Aber in Rojava und Nordkurdistan besinnt sich die Bevölkerung auf ihre eigene Stärke. Das Bewusstsein, dass auf den Staat kein Verlass ist, durchdringt auch die türkische Gesellschaft immer mehr und nagt am ohnehin wackeligen Fundament des AKP/MHP-Regimes. Deshalb setzt das Regime stark auf die Kontrolle von Informationen, wie z.B. als Twitter in den ersten Stunden nach dem Erdbeben blockiert wurde, was weitere Menschenleben gekostet hat, da die Opfer die Plattform nutzten, um Hilfe zu rufen und ihre Standorte mitzuteilen. Wenn das Regime die Kontrolle über die Berichterstattung verliert, wird es zerbröckeln.

Solidarität symbolisch und praktisch auf die Straße bringen

In dieser Zeit, in der viele Dinge in Bewegung sind, sollten wir unsere Solidarität symbolisch und praktisch auf die Straße bringen. Der Widerstand der Guerilla in den Bergen Kurdistans zeigt, dass auch die größte Armee nicht unbesiegbar ist. Rojava trotzt allen Angriffen und beweist uns, dass eine Alternative zur Ausbeutung des Kapitalismus und des potentiell faschistischen Nationalstaates möglich ist. Wir können, wo immer wir sind, die Angriffe des türkischen Faschismus mit verbotenen Chemiewaffen auf die Tagesordnung setzen. Wir können der Unwissenheit über die Angriffe auf Rojava entgegenwirken und die Propaganda des türkischen Staates und seiner imperialistischen Herren entlarven.

Eine andere Welt ist in Kurdistan und an jedem Ort der Welt möglich, wo sich die Menschen ihrer eigenen Macht bewusst werden und sich organisieren. Der Kampf gegen den Faschismus bleibt international, der Kampf für die Freiheit der Völker des Nahen Ostens ist legitim und es sind universelle Werte, die in den Bergen Kurdistans verteidigt werden.

Wir, die internationale Kampagne Riseup4Rojava, sind Teil dieses Kampfes. Wir rufen alle, die sich mit der Revolution in Rojava verbunden fühlen, auf, ihre Anstrengungen zu verstärken. Wir rufen alle Antifaschist:innen auf, gegen den türkischen Faschismus an jedem Ort zu kämpfen. Wenn wir unsere Kräfte mobilisieren und Seite an Seite mit unseren Genossinnen und Genossen in Kurdistan und im Nahen Osten stehen, werden wir unseren Beitrag zum Sturz des AKP/MHP-Regimes leisten können. Die Tage des Faschismus sind gezählt, eine neue Welt erhebt sich am Horizont."