Die Türkei plant, ihre besetzten Gebiete in Nord- und Ostsyrien auszuweiten und einen Streifen bis zur ezidischen Region Şengal im Nordirak zu besetzen. Zur Vorbereitung der Invasion betreibt die türkische Regierung momentan eine diplomatische Offensive sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene. In diesem Kontext ist auch der für Dienstag angekündigte Deutschlandbesuch des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar zu betrachten, erklärt Dr. Abdulkarim Omar, der Ko-Vorsitzende des Büros für Außenbeziehungen der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien.
„Erdoğan will neoosmanischer Sultan werden“
Ein erster Schritt der Errichtung einer Territorialherrschaft in Nordsyrien sei die Invasion in Efrîn gewesen, anschließend wurden Serêkaniyê und Girê Spî besetzt, sagt Omar. Der Außenpolitiker führt aus: „Der türkische Staat träumt davon, einen Streifen von Aleppo bis Mosul unter seine Kontrolle zu bekommen. Auch Kerkûk ist Teil dieses Plans. Erdoğan will neoosmanischer Sultan werden. Das gilt nicht nur für Syrien, diese Pläne hat er auch in Libyen, im Mittelmeer und in Armenien. Er greift nach vielen Regionen.“
„Wenn Erdoğan eine Gelegenheit findet, beginnt er einen Krieg“
Mittel dazu sei vor allem auch die Muslimbruderschaft, stellt Omar fest: „ Erdoğan meint es ernst mit seinen Drohungen. Wenn er die Grundlage schaffen kann und die Gelegenheit findet, dann wird er einen Krieg gegen Dêrik und Şengal beginnen und einen großen Teil Südkurdistans besetzen. Wir bereiten uns in Nordostsyrien auf jede mögliche Situation vor und werden Widerstand leisten. Wir werden unser Volk und unseren Willen vor den Angriffen der Türkei verteidigen.“
Treffen in Bagdad und Damaskus
Fast jeden Tag finden Angriffe auf Nord- und Ostsyrien statt. Insbesondere die Linie von Ain Issa bis Til Temir befindet sich unter ständigem Artilleriebeschuss durch die türkische Armee und ihre SNA-Milizen. Vor dem Hintergrund dieser Angriffe fanden hochrangige Besuche aus der Türkei in Damaskus und Bagdad statt. Omar kommentiert diese Treffen: „ Diese Besuche finden aufgrund des Angriffsplans statt. Die Türkei will eine sehr destruktive Rolle in der Region spielen. In diesem Sinne wurden auch Gespräche mit der PDK geführt. Die Türkei versucht so, auf internationaler wie regionaler Ebene eine Grundlage für ihr umfassendes Vernichtungskonzept zu schaffen. Sie will bestimmte Stellen dazu bringen, in einen umfassenden Angriff auf die Kurden an allen Fronten einzuwilligen.“
Deutschlandbesuch Hulusi Akars steht im Kontext der Angriffe
Am morgigen Dienstag kommt der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar nach Deutschland, um sich mit seiner Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu treffen. Dieser Besuch findet nach Omars Ansicht ebenfalls zur Vorbereitung der türkischen Invasion statt: „Bei diesem Treffen geht es um die Entwicklungen in der Region. Deutschland unterstützt die Politik der Türkei, damit diese ihre Rolle beim Abhalten von Schutzsuchenden spielt. Es ist nicht klar, ob dieser Versuch der Türkei Erfolg haben wird, aber die Vertreter des türkischen Staates werden mit vielen Kreisen zusammentreffen, um ihre antikurdischen Pläne vorzubereiten.“
„Verfassungsgespräche werden keinen Erfolg habe
Omar weist darauf hin, dass die Verhandlungen für eine neue Verfassung Syriens in Genf wie alle anderen Plattformen zum Syrienkonflikt, von denen die Selbstverwaltung ausgeschlossen war, keinen Erfolg haben werden, und führt aus: „Es handelt sich um einen Prozess, von dem der Wille der Völker Nord- und Ostsyriens, also von etwa fünf Millionen Menschen, ausgeschlossen ist. Diese Plattform dient dem Schutz der Interessen äußerer Kräfte. Sie nehmen auch an den Treffen teil. Das wird nicht gelingen. Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Geir Pedersen, beendete das Treffen, ohne zu sagen, wann die sechste Runde beginnen soll. Das ist eigentlich ein klares Eingeständnis.“