Offensive auf Idlib: Was ist aus dem Astana-Abkommen geworden?

Die syrische Armee und Russland haben von al-Nusra kontrollierte Gebiete südlich von Idlib eingenommen. Die Türkei schickt al-Nusra Dschihadisten aus Efrîn zur Unterstützung.

Das syrische Regime hat mit russischer Unterstützung ungefähr zwölf Ortschaften im Norden von Hama eingenommen, die zuvor von Dschihadisten unter dem Dach der al-Nusra (Hayat Tahrir al-Sham, HTS) kontrolliert wurden. Aus Efrîn werden unterdessen von der Türkei gestützte Milizionäre als Nachschubkräfte in die umkämpfte Region geschickt.

Bei der mit russischer Luft- und Bodenunterstützung vom syrischen Regime gestarteten Offensive sind zwölf Ortschaften, darunter Kefer Nebuda, in der Region Gab im Norden von Hama eingenommen worden.

Mit Hilfe der vom türkischen Staat unterstützten Milizen hat al-Nusra Kefer Nebuda gestern erneut angegriffen. Zunächst hieß es, dass die Dschihadisten die Ortschaft wieder eingenommen haben. Nach vorliegenden Informationen dauern die Gefechte weiter an. In Kanälen der al-Nusra wurde die Zerstörung von zwei Militärfahrzeugen des syrischen Regimes gemeldet.

Bei den Gefechten ist es zu Toten auf beiden Seiten gekommen. Russland bombardiert die Region aus der Luft, prorussische Kampfverbände unterstützen die syrische Armee auf dem Boden. Die Operation in der Region wird unter dem Kommando von Suhail al-Hassan von der als Tiger-Kräfte bekannten Spezialeinheit Quwwat an-Nimr der syrischen Streitkräfte und Milizionären Russlands geführt. Die iranischen Kräfte sind hauptsächlich in Aleppo und Umgebung stationiert.

Verstärkung durch protürkische Dschihadisten aus Efrîn

Von der Türkei unterstützte dschihadistische Gruppierungen wie Ahrar al-Sham haben vorgestern Kräfte aus dem Bezirk Cindirês in Efrîn im Konvoi nach Idlib entsandt. Quellen vor Ort berichten jedoch, dass diese Dschihadisten noch nicht in dem umkämpften Gebiet angekommen sind, sondern sich an der Grenze zwischen Idlib und Efrîn aufhalten.

Weiterhin wurde bekannt, dass die Menschen aus den Kampfgebieten im Süden von Idlib und im Norden von Hama Richtung Efrîn flüchten, aber die protürkischen Gruppen nicht allen den Zugang gestatten. Nur ausgesuchte Familien wurden nach Efrîn gelassen.

Russische Luft- und Bodenangriffe

Bei der im Norden von Hama Richtung Idlib gestarteten Operation ist Russland bemüht, die Airbase Hmeimim, seinen wichtigsten Militärflughafen in Syrien, zu sichern. Das syrische Regime versucht, die Kontrolle über die Hauptverkehrsstraßen M4 und M5 zu gewinnen.

Nach Informationen militärischer Quellen ist die Einnahme der Ortschaften Maret Numan, Serakib und Han Sheyhun an den internationalen Verkehrswegen M4 und M5 das nächste vorrangige Ziel Syriens und Russlands. Damit wären 25 Prozent der Region Idlib wieder unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

Die M4 und M5 sind wichtige Handelswege in Syrien. Ihre Eroberung würde für das Regime hinsichtlich des Handels sowie eines militärischen und logistischen Nachschubs einen großen Vorteil darstellen. Gleichzeitig würde eine wichtige Einkommensquelle der Dschihadisten abgeschnitten.

Die M5 führt von Aleppo über Idlib und Hama nach Damaskus. Die M4 ist eine Abzweigung der M5 in Serakib. Sie führt von Han Sheyhun nach Latakia und in die Küstenstädte Syriens.

Sollten diese Gebiete eingenommen werden, wären alle Hauptstraßen von Aleppo, Idlib, Latakia bis Damaskus wieder in der Hand des syrischen Regimes. Laut militärischer Quellen würde diese Operation jedoch Monate dauern, weil die gesamte Region untertunnelt ist.

Was ist aus den Astana-Gesprächen geworden?

Bei den Astana-Gesprächen zwischen Russland, der Türkei und dem Iran ist eine entmilitarisierte Zone von einer Breite von 15 Kilometern in Idlib vereinbart worden. Das Abkommen war jedoch erfolglos und die Kampfhandlungen wurden fortgesetzt.

Die Türkei hat angesichts der Operation Russlands, des Irans und Syriens Verstärkung in die Region entsandt. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hat das syrische Regime und Russland an der Grenze zu Idlib zum Rückzug aufgerufen. Insofern stellt sich die Frage, was aus dem Astana-Abkommen geworden ist.

Im Rahmen dieses Abkommens hatte die Türkei sich als Schutzmacht der „Opposition“ in Idlib positioniert und die Aufgabe übernommen, die Dschihadisten in der Region in „Gemäßigte“ und „Radikale“ aufzuteilen.