Stört al-Nusra die russisch-türkischen Idlib-Verhandlungen?

Nach dem Al-Nusra-Angriff auf einen russischen Luftstützpunkt in Latakia kommen Fragen zu den Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei über einen Tausch der Vormachtstellung in Idlib und Til Rifat auf.

Al-Nusra bzw. das Dschihadistenbündnis Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hat am 2. Mai einen russischen Luftwaffenstützpunkt in Latakia mit Grad-Raketen und bombenbestückten Drohnen angegriffen. Auf diesen Angriff erfolgten Luft- und Raketenangriffe auf weite Gebiete von Idlib. Hauptangriffsziel waren die von al-Nusra gehaltenen Gebiete, aber es wurden auch Regionen bombardiert, in denen sich die direkt mit der Türkei verbundene Dschihadistenkoalition „Nationale Befreiungsfront“ aufhält.

Wie der regionale UN-Koordinator für humanitäre Hilfen, Panos Moumtzis, gegenüber Reuters angab, handelt es sich bei dieser Bombardierung um den schwersten Angriff seit 15 Monaten. Nach UN-Angaben sind seit Februar 140.000 Menschen aus dem Norden von Hama und dem Süden von Idlib geflüchtet. Das syrische Regime macht „terroristische Gruppen“ für die Kampfhandlungen verantwortlich.

Die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen haben neue Aussagen zu den Verhandlungen zwischen Moskau und Ankara und dem Abkommen über eine „befriedete Zone“ hervorgebracht. So soll Russland den türkischen Staat für den Angriff auf seinen Luftwaffenstützpunkt in Latakia verantwortlich machen und die Türkei dazu aufgefordert haben, sich an das Abkommen „Til Rifat gegen Idlib“ zu halten.

Syrischer Kommandant: Russland macht die Türkei verantwortlich

Ein Kommandant des syrischen Regimes, der ungenannt bleiben will, erklärte gegenüber ANF, dass Russland nach dem Angriff von al-Nusra Protest bei der Türkei eingelegt hat. „Russland sagt, dass die von al-Nusra bei dem Angriff eingesetzten Drohnen aus schwedischer Produktion stammen und über die Türkei in die Hände von al-Nusra gelangt sind“, so der syrische Kommandant.

Til Rifat im Austausch für Idlib

Laut einer anderen Quelle haben sich Putin und Erdoğan am 8. April in Moskau darauf geeinigt, dass Til Rifat (Arfêd) der Kontrolle protürkischer Milizen überlassen und im Gegenzug Idlib dem Regime in Damaskus übergeben wird.

Auch dieser Informant möchte anonym bleiben. Nach seinen Angaben hat das Abkommen zwischen Russland und der Türkei weiter Bestand. „Mit seinen heftigen Angriffen will Russland den türkischen Staat dazu bringen, sich an das Abkommen zu halten und alles dafür Notwendige zu unternehmen. Laut diesem Abkommen soll der türkische Staat al-Nusra in passender Form zur Kapitulation bewegen und alle dazugehörigen Gruppen unter die eigene Kontrolle bringen. Der Türkei ist es jedoch erneut nicht gelungen, das Abkommen einzuhalten. Vor einigen Tagen ist ein türkischer General in Dabik bei Bab mit einem Beauftragten von al-Nusra zusammengetroffen. Bei diesem Gespräch hat al-Nusra den Einzug der Russen nach Idlib abgelehnt, anschließend kam es zu den Angriffen vom 2. Mai.“

Keine gemeinsamen Patrouillen mehr

Nach vorliegenden Informationen aus der Region sind die vor zwei Monaten gestarteten gemeinsamen Patrouillen Russlands und der Türkei in Idlib ausgesetzt worden. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte am 8. März 2019 erklärt, dass Russland im Grenzgebiet außerhalb Idlibs und das türkische Militär in der „waffenfreie Zone“ Patrouillenfahrten beginnen würden.

Laut Informationsquellen aus der Region sind auch die gemeinsamen russisch-türkischen Patrouillenfahrten an der Grenze zu Til Rifat nach Aktionen der Befreiungskräfte Efrîns (HRE) in Şera eingestellt worden. In dem Bezirk von Efrîn sind am 30. April bei drei verschiedenen Aktionen neun türkische Militärs getötet worden, zwei davon waren ranghohe Offiziere.

Die russischen Kräfte haben ungefähr zwei Wochen lang Patrouillenfahrten in Şêx Isa und Til Madik in Şehba sowie an der Grenze von Til Rifat unternommen. Türkische Soldaten waren zeitgleich in Mare Azaz und Marenaz auf Patrouille.