Neue Runde von Syrien-Gesprächen in Genf

Nach neun Monaten Zwangspause wegen der Coronavirus-Pandemie hat in Genf die dritte Runde der Gespräche des sogenannten Verfassungskomitees für Syrien begonnen. Wieder nicht mit am Tisch war die nordostsyrische Autonomieverwaltung.

Nach neun Monaten Zwangspause wegen der Corona-Pandemie setzt das sogenannte Verfassungskomitee für Syrien unter Regie der Vereinten Nationen seine Beratungen im Völkerbundpalast in Genf fort. Je 15 Vertreter der Regierung in Damaskus, der durch die Türkei gestützte „Opposition“ und zivilgesellschaftlicher Organisationen sollen das Arbeitsprogramm für die Verfassungsgespräche erarbeiten. Das im vergangenen Herbst gebildete Verfassungskomitee könne die Tür zu einem politischen Prozess aufstoßen und Vertrauen schaffen, erklärte der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, vergangene Woche in einem Briefing für den Weltsicherheitsrat. Niemand dürfe jedoch ein Wunder erwarten, die Beratungen würden lange und schwierig.

Wie es heißt, gehen die Gespräche der sogenannten Kleinen Kammer zunächst bis Freitag. Am Ende des Prozesses soll ein Verfassungsentwurf stehen, den die Große Kammer des Gremiums mit 150 Delegierten bestätigen muss. Pedersen werde auch separat mit Vertretern der in Syrien aktiven ausländischen Mächte Russland, USA, Türkei und Iran zusammentreffen.

Die Autonomieverwaltung von Nord-und Ostsyrien, die für fast sechs Millionen Menschen in Syrien steht, ist in dem Verfassungskomitee nicht vertreten. Dies sei „Ausdruck der Ungerechtigkeit” des Gremiums und bedeute die Missachtung des Willens der Bevölkerung, kritisierte die nordostsyrische Autonomieverwaltung bereits mehrfach und warnte vor einer Verschärfung der Krise, solange sie in diesen Prozess nicht miteinbezogen werde.

Die erste Runde der Gespräche endete im November 2019 ergebnislos. Zwar einigten sich die Parteien schon im März dieses Jahres auf eine weitere Runde, doch Covid-19 durchkreuzte die Pläne. Der UN-Sicherheitsrat hatte in einer Resolution im Jahr 2015 die Bildung eines Verfassungskomitees als Teil einer umfangreichen friedlichen Lösung für den Syrien-Konflikt festgeschrieben. Doch über die Zusammensetzung des Komitees wurde lange gestritten. Auf Drängen der Türkei war allerdings früh bekannt, dass die Repräsentant*innen des demokratischen Projektes Nord- und Ostsyrien nicht mit am Tisch sitzen werden.

„Eine neue Verfassung für Syrien sollten die Völker verfassen, die das Land befreit haben”, sagt der Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der Autonomieverwaltung, Abid Hamid al-Mihbash. Seit mehr als neun Jahren ist die Syrien-Krise bereits ungelöst. Fast ebenso lange dauern internationale Treffen an, die nur scheinbar eine Lösung beabsichtigen. Ob in Wien, München, Astana, Riad, Kairo, Sotschi oder jetzt in Genf, Mihbash bezeichnet die Gespräche eine „reine Zeitverschwendung”. Der Grund sei offensichtlich: „Das Gremium agiert nicht im Sinne der Bevölkerung, sondern für die Interessen der Türkei, Russlands und Irans. Daher wird es auch bei dieser Runde in einer Sackgasse landen. Wir haben von Anfang an klargestellt, dass ein solches Komitee ohne die Einbeziehung unserer Völker nicht zur Problemlösung beitragen kann. Solange der Wille von Millionen Menschen unbeachtet bleibt, wird das Verfassungskomitee auch nicht aus der Sackgasse finden.”