Nach Beschuss von Klinik: Erster Dialysepatient gestorben

Aufgrund fehlender Versorgung infolge der Bombardierung des einzigen Dialysezentrums in Qamişlo ist ein 65-jähriger Patient gestorben. Die Gesundheitsbehörden der Selbstverwaltung werfen der internationalen Gemeinschaft vor, Kriegsverbrechen zu dulden.

Aufgrund fehlender Versorgung infolge der Bombardierung des einzigen Dialysezentrums in Qamişlo ist der erste Patient gestorben. Der 65-Jährige litt unter einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz, bei der ein dauerhaftes Versagen der Nierenfunktion vorliegt, teilte Şerin Ebas vom Gesundheitskomitee der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien am Donnerstag in Raqqa mit. Er sei seit zwei Jahren in Behandlung gewesen und musste dreimal wöchentlich dialysiert werden. Vergangene Nacht ist der Mann verstorben.

Die türkische Luftwaffe hatte am Montagabend das Gelände der Covid-19-Klinik im Zentrum von Qamişlo bombardiert. Neben dem Dialysezentrum wurde auch eine Abfüllanlage für medizinischen Sauerstoff getroffen. Das von der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID ausgestattete Abfüllwerk war das einzige in der Großstadt Qamişlo und versorgte die gesamte Cizîrê-Region mit medizinischen Gasen. Auch das Dialysezentrum, in dem sich nach Angaben des Gesundheitskomitees zuletzt etwa hundert Betroffene – rund siebzig davon stationär – mehrmals pro Woche verschiedenen Dialysetherapien unterziehen konnten, war die einzige Spezialklinik auf diesem Gebiet. Beide Einrichtungen wurden durch die Luftschläge der Türkei vollständig zerstört.

Şêrin Ebas ist stellvertretende Ko-Vorsitzende des Gesundheitskomitees der Selbstverwaltung

„Wir zählen aktuell zehn hochgradig gefährdete Patientinnen und Patienten, bei denen ein akuter Bedarf nach einer intensiven Dialysebehandlung besteht“, erklärte derweil der Vorstand des bombardierten Dialysezentrums. Um ihnen diese lebenswichtige Therapie dennoch zu ermöglichen, wurde ein leerstehendes Büro in einen vorläufigen Behandlungsraum umfunktioniert. In Planung sei auch ein mobiles Dialysefahrzeug, hieß es.

Das Gesundheitskomitee der Selbstverwaltung kritisierte, dass das kriegerische Handeln des türkischen Staates gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien folgenlos für die türkische Führung bleibe. „Internationales Schweigen und Ignoranz sind auf die eine oder andere Weise ein ermutigender Faktor für die Regierung von Ankara, ihre aggressive Politik gegenüber den Völkern im Norden und Osten Syriens, die ohnehin aufgrund der ihnen auferlegten Belagerung unter schwierigen Lebensbedingungen leiden und nun auch Opfer der katastrophalen Folgen der türkischen Aggression – der Zerstörung vieler lebenswichtiger Einrichtungen und öffentlicher Anlagen – sind, fortzusetzen.“ Dass sich der Westen trotz offenkundiger Kriegsverbrechen der Türkei in Schweigen hülle, sei ein deutliches Zeichen dafür, dass die Menschen in Nord- und Ostsyrien vom offiziellen Völkerrecht ausgeschlossen sind.

Angriffe auf medizinische Einrichtungen gelten als Kriegsverbrechen

Angriffe auf medizinische Einrichtungen gelten als Kriegsverbrechen und können vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Anklage kommen. Sie verstoßen gegen humanitäres Völkerrecht – unabhängig davon, ob es sich um gezielte Angriffe handelt oder ein Krankenhaus wahllos beschossen wird. Zivile Kliniken dürfen „unter keinen Umständen angegriffen werden, sondern sind von den Konfliktparteien jederzeit zu achten und zu schützen“, heißt es dazu in Artikel 18 der Genfer Konvention von 1949. Doch die Realität im Krieg der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien sieht anders aus. Immer wieder werden dort medizinische Einrichtungen gezielt unter Beschuss gesetzt und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dadurch stark gefährdet. Neben der Klinik in Qamişlo hatten türkische Bomber am Montag auch ein Krankenhaus am Miştenûr-Hügel in Kobanê attackiert. Die Klinik behandelte zuletzt etwa 500 Kranke täglich.

Angriffe gehen weiter

Nach Angaben der Selbstverwaltung von Nordostsyrien hat die Türkei allein im Zeitraum vom 23. bis 26. Dezember 58 Luftangriffe auf Siedlungen, die Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Lebensmitteln, Gesundheitseinrichtungen, Baufirmen, eine Druckerei, Gewerbebetriebe und Checkpoints der Sicherheitskräfte durchgeführt. Die meisten Bombardierungen erfolgten durch Drohnen, in sieben Fällen kamen Kampfjets zum Einsatz. Zudem wurde über Dutzende Artillerieangriffe berichtet.

Am 25. Dezember kamen acht Zivilist:innen kamen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt. Bei den gezielten Angriffen auf Checkpoints der Asayîş in den Kantonen Euphrat und Cizirê am Dienstag sind drei Angehörige der Sicherheitskräfte der Autonomieverwaltung verwundet worden. Die Angriffe werden fortgesetzt, heute erlitt eine Sechzehnjährige bei der Bombardierung von Ain Issa eine schwere Fußverletzung.

Foto: Tanks mit medizinischem Sauerstoff nach der Bombardierung der Klinik in Qamişlo. Das Abfüllwerk geriet durch den Angriff in Brand © Rojava Information Center