Muslim: Kampf gegen Vernichtungskonzept

Der PYD-Politiker Salih Muslim analysiert das hinter den türkischen Angriffen stehende Konzept und kündigt massiven Widerstand in Rojava und Nordsyrien an.

Am Samstag griff eine türkische Drohne in Kobanê an und tötete fünf Zivilist:innen aus der Revolutionären Jugendbewegung und der Vereinigung junger Frauen. Der Angriff ist Teil einer neuen Welle von Attacken auf die Zivilbevölkerung und die Verteidigungskräfte von Nord- und Ostsyrien. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ANHA bewertet der kurdische Politiker Salih Muslim aus dem Vorstand der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) die aktuellen Entwicklungen in Nord- und Ostsyrien.

Wir müssen einen großen Kampf führen“

Zu den Angriffen auf Kobanê sagt Muslim: „Die Angriffe auf die Bürger:innen der Region zeigen die Grausamkeit [des türkischen Staats]. Wenn wir uns die Angriffe insgesamt ansehen, dann sehen wir, dass dahinter ein Konzept steht. Die Angriffe auf Zirgan und Kobanê und die Blockade von Nord- und Ostsyrien durch die Regierung in Damaskus und Südkurdistan sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Es geht darum, die Region zu unterwerfen. Unsere Klagen über diese Verbrechen nützen gar nichts. Wir müssen selbst Maßnahmen ergreifen. Wir müssen uns organisieren und äußerst aufmerksam bezüglich Agenten sein. Gleichzeitig müssen wir einen großen Kampf gegen die Angriffe führen.“

Sie zwingen zur Aufgabe“

Muslim weist darauf hin, dass die aktuellen Angriffe mit Gesprächen in Astana zusammenfallen: „In einer Zeit, in der die Astana-Gespräche stattfinden, zeigen die Angriffe die Entschlossenheit, Nord- und Ostsyrien zu unterwerfen. Sie wollen keine Lösung. Sie sind gegen eine Lösung. Aber außer uns stellt sich niemand gegen Astana. Lawrow [russischer Außenminister] fragt in seinen Erklärungen, was ‚die Kurden‘ wollen. Es gibt in Nord- und Ostsyrien ein Selbstverwaltungsmodell, an dem Armenier:innen, Assyrer:innen, Araber:innen und Kurd:innen beteiligt sind. Warum fragt er nicht, was die Selbstverwaltung will, sondern nur ‚die Kurden‘? Es geht hier darum, die Kurd:innen in die Enge zu treiben. Sie wollen, dass wir uns dem Regime in Damaskus unterwerfen. Hier wurden so viele Opfer gebracht. Sich trotz alledem hinzustellen und sich der Regierung in Damaskus zu unterwerfen, ist inakzeptabel.“

Garantiemächte beziehen keine Haltung

Die vorgebliche Rolle von Russland und den USA als „Garantiemächte“ kritisiert Muslim ebenfalls: „Niemand bezieht ernsthaft Haltung. Die Bevölkerung wird mit Kampfflugzeugen und Waffen angegriffen. Niemand stellt sich hin und sagt [der Türkei], sie solle die Zivilbevölkerung nicht angreifen. Sie [Die Garantiemächte] verfolgen nur ihre eigenen Interessen. Deshalb müssen wir selbst unsere eigenen Maßnahmen ergreifen. In den NATO-Konventionen ist festgelegt, dass Zivilist:innen keinen Schaden erleiden dürfen. Die Angriffe auf Zirgan verstoßen gegen die NATO-Verträge. Was der türkische Staat tut, ist von unmenschlicher Grausamkeit. Ein Staat begeht terroristische Straftaten und die anderen Staaten schauen dabei zu.“

Sie wollen die Menschen aus der Region vertreiben“

Zu den Zielen der Drohnenangriffe erklärt Muslim: „Der türkische Staat will die Menschen aus der Region vertreiben und das Osmanische Reich hier wieder zum Leben erwecken. Erdoğan ahmt die Taten von Abdulhamid nach. Das Osmanische Reich verfolgte die gleiche Politik. Die Orte, die besetzt wurden, wurden von den Janitscharen geplündert und verwüstet. Heute sehen wir, dass der osmanische Terror erneut praktiziert wird. Internationale Mächte sehen das, aber sie tun nichts. Der türkische Staat vertritt diese Mentalität seit langen Jahren unter dem Motto ‚Der beste Kurde, ist ein toter Kurde‘. Die Kurden, die heute für sie spionieren, werden eines Tages ebenfalls an die Reihe kommen. Dafür gibt es viele historische Beispiele.“

Das organisierte Volk ist entschlossen“

Zu den Versuchen, das kurdische Volk zur Aufgabe zu zwingen, sagt Muslim: „Aufgabe bedeutet den Tod. Ein organisiertes Volk ist entschlossen. Es steht auf eigenen Füßen. Es wird sich niemandem ergeben. Wir müssen uns weiterhin in dieser Überzeugung organisieren. Wir können dem türkischen Faschismus ein Ende setzen, indem wir uns organisieren.“

Auch die Regierung in Damaskus schweigt“

Muslim setzt sich auch mit der Position des Regimes in Damaskus auseinander: „Die Regierung von Damaskus ist in der der Lage, sich hinzustellen und Massaker zu verurteilen, wenn diese in einem anderen Land der Welt stattfinden. Sie verurteilte jedoch keines der Massaker des türkischen Staates in Nord- und Ostsyrien. Sie vergisst, dass es sich hier um syrisches Territorium handelt. Sie tut nichts, um ihre Souveränität zu schützen. Sie soll sich mit uns zusammensetzen und alles tun, um die souveränen Rechte Syriens zu schützen. Wenn wir im selben Haus leben, können wir gegen jeden Angriff auf unser Haus zusammenarbeiten.“

Der IS wird getroffen und der MIT taucht auf“

Muslim weist auch auf die Verbindung zwischen dem MIT und dem IS hin und schließt mit den Worten: „Als der IS in Nord- und Ostsyrien war, war nicht viel vom MIT zu sehen, denn die ganze Drecksarbeit wurde über den IS erledigt. Der IS ist ohnehin eigentlich der MIT. Wenn der IS nicht mehr in der Lage ist zu agierten, taucht der MIT selbst auf. Er organisiert von neuem die IS-Zellen. Dort wo der IS einstecken muss, taucht der MIT auf. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem MIT und dem IS.“