Muslim: Das Adana-Abkommen muss annulliert werden

Das Adana-Abkommen von 1998, das der Türkei erlaubt, zur „Terrorbekämpfung“ auf syrisches Territorium vorzudringen, müsse annulliert werden, fordert der nordsyrische Politiker Salih Muslim.

1998 zwang die Türkei die syrische Regierung zur Unterzeichnung des Adana-Abkommens. Zuvor hatte die NATO eine Drohkulisse aufgebaut und die Türkei Syrien sprichwörtlich das Wasser, mithilfe des GAP-Staudammsystems, abgedreht. Das am 20. Oktober 1998 unterzeichnete Adana-Abkommen gilt als Teil des internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalan und die Freiheitsbewegung, denn es beinhaltete die syrische Verpflichtung, gegen die PKK vorzugehen. Im Zusammenhang mit dem Abkommen war Öcalan bereits am 9. Oktober 1998 zur Ausreise aus Syrien gezwungen worden.


Im ANF-Gespräch äußert sich Salih Muslim, Vorstandsmitglied der nordsyrischen Partei der Demokratischen Einheit (PYD), zur 23-jährigen Geschichte des Abkommens. Muslim betont, dass der historische Kontext, insbesondere die Bedingungen und die Konjunktur, in der das Abkommen geschlossen wurde, wichtig zu betrachten sei. Das Abkommen wurde weder dem Ministerrat noch dem Parlament vorgelegt, sondern von Adnan Badr Hassan, dem Chef des syrischen Geheimdienstes, sowie Vertretern des türkischen MIT unterzeichnet. Muslim unterstreicht daher die Tatsache, dass es sich eigentlich nicht um ein „Abkommen“, sondern vielmehr um eine Reihe von Absichtsbekundigungen handle.

Adana-Abkommen hat weder nationalrechtliche noch völkerrechtliche Gültigkeit“

Muslim beschreibt den Druck, mit dem Syrien zur Unterzeichnung gezwungen wurde: „Es war so, als wenn man jemanden eine Waffe an den Kopf hält und der Person sagt, du musst das jetzt unterzeichnen. Dieses Dokument wurde unter solchen Bedingungen unterzeichnet. Es hat weder nationalrechtliche noch völkerrechtliche Gültigkeit. Es war kein Abkommen, das Syrien aus eigenem Willen unter Einbeziehung der Meinung der Bevölkerung und der Regierung unterzeichnet hat. Das Abkommen hat niemals das Niveau eines gültigen, international anerkannten Abkommens erreicht.

Das Vorgehen der Türkei geht weit über das Adana-Abkommen hinaus“

Laut diesem Dokument könnten türkische Truppen mit Vorankündigung syrisches Territorium fünf bis zehn Kilometer zum Zwecke der Verfolgung betreten, müssten sich dann aber wieder zurückziehen. Dazu erklärt Muslim: „Diese Bedingungen gelten für beide Parteien. Syrien dürfte tun, was die Türkei darf. In Wirklichkeit ist das nie passiert. Es gibt jetzt Hunderte von Kilometern, die von der Türkei besetzt sind. Es sind keine fünf Kilometer, es sind keine zehn Kilometer, und die Türkei betreibt eine nachhaltige Veränderung der Demografie der Region. Das geht weit über das Adana-Abkommen hinaus. Wie die Türkei ihre Söldner ausbildet, sie bewaffnet und auf Syrien loslässt, sogar mit Panzern in die Region eindringt, hat rein gar nichts mit dem Abkommen zu tun. Aber natürlich befindet sich Syrien heute in einer Position der Schwäche, deswegen kann Syrien sich nicht hinstellen und sagen: ‚Schluss mit dem Abkommen. Wir akzeptieren das nicht mehr.‘ Vielleicht liegt es auch an der Beziehung zur kurdischen Bevölkerung. Das Regime hat die kurdische Bevölkerung immer unterdrückt und nie einen Dialog akzeptiert. Es will verhindern, dass das kurdische Volk in Syrien demokratische Rechte erlangt. Es will das Abkommen als einen Knüppel gegen die Kurden nicht aufgeben. Ansonsten hat das Adana-Abkommen keine Grundlage. Es ist weder gültig noch akzeptiert.“

Ein großer Verrat an Syrien“

Muslim fordert eine Annullierung des Abkommens als ersten Schritt nach einem Frieden in Syrien und sagt: „Das Abkommen bescherte der Türkei einen Vorwand, um in Syrien einzumarschieren. Das ist ein großer Verrat für Syrien. Ich gehe davon aus, dass wenn in Bälde der Willen der syrischen Bevölkerung ans Licht kommt, Abkommen wie dieses annulliert werden müssen.“