Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovic, hat am Freitag die Mitgliedsstaaten aufgefordert, ihre in Nord- und Ostsyrien festgehaltenen Staatsangehörigen zurückzunehmen. Die Zustände in den Auffanglagern im Autonomiegebiet seien „menschenunwürdig“ und verstießen gegen das Völkerrecht, heißt es in einer von Mijatovic an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) übermittelten Bewertung.
Durch die prekären Verhältnisse in den Internierungs- und Flüchtlingslagern, in denen Angehörige der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) untergebracht sind, sei ihre körperliche und geistige Gesundheit in Gefahr, insbesondere der Kinder. Ihre andauernde Internierung sei nicht mit Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar, der sowohl die Folter als auch darüber hinaus jede unmenschliche und erniedrigenden Behandlung verbietet, so Mijatovic.
Fälle von IS-Frauen vor dem EGMR
Der EGMR wird sich im September mit den Fällen von Frauen befassen, die sich dem IS angeschlossen haben und nun mit ihren Kindern in den Lagern Hol und Roj festgehalten werden. Eine Entscheidung wird vermutlich in den darauffolgenden Monaten getroffen. Laut Mijatovic sind die Herkunftsländer verantwortlich für das Handeln und den Schutz ihrer Staatsangehörigen. „Die einzige Möglichkeit der Mitgliedsstaaten des Europarats, ihrer Verpflichtung nachzukommen, Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Personen, die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt werden, ist die Rückführung“, so die Menschenrechtskommissarin. Die Weigerung einiger Staaten, dies zu tun, könne die effektive Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens dieser Personen behindern. „Die Rückführung aller internierten ausländischen Kinder in ihre Herkunftsländer ist eine absolute und zwingende Priorität“, fordert Mijatovic. Ihre Mütter müssten ebenfalls repatriiert werden.
Gleiche Forderungen von Blinken und Abdi
In den Camps Roj und Hol sind knapp 700 Kinder, die aus europäischen Ländern kommen, untergebracht. Doch ihre Herkunftsländer tun sich schwer, sie zurückzuholen, auch Deutschland. Bei einem Treffen der Anti-IS-Koalition zu Wochenbeginn in Rom hat sich bereits US-Außenminister Antony Blinken dafür eingesetzt, dass die in Nord- und Ostsyrien inhaftierten ausländischen IS-Mitglieder in ihre Heimatländer zurückgeführt und dort vor Gericht gestellt werden. Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hatte die Koalition zuvor aufgefordert, die Heimatländer der in Nord- und Ostsyrien festgehaltenen IS-Anhänger:innen bei der Rückführung zu unterstützen. Eine Lösung für die zu zehntausenden in den Camps gelandeten Frauen, Kinder und Dschihadisten sei für einen „nachhaltigen Sieg“ über den IS-Terrorismus unbedingt erforderlich. „Wir rufen die Koalition auf, bei der Rückkehr dieser Menschen in ihre Heimatländer zu helfen, Bildungs- und Deradikalisierungsprogramme zu finanzieren und Stabilität und einen starken wirtschaftlichen Aufschwung in den befreiten Gebieten zu unterstützen, um die Ursachen des Extremismus zu bekämpfen“, schrieb Abdi im Kurznachrichtendienst Twitter.