Grabbesuch bei Abu Leyla

An seinem Grab in Kobanê ist Abu Leyla gedacht worden. Der Mitbegründer der Demokratischen Kräfte Syriens, der bis zu seinem Tod eine federführende Rolle im Kampf gegen den IS spielte, starb am 5. Juni 2016 im Verlauf der Befreiung von Minbic.

An seinem Grab in Kobanê ist am Montag Abu Leyla gedacht worden. Anlass war der siebte Todestag des Kommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), der bei der Befreiung von Minbic starb. Am 3. Juni 2016, nur 48 Stunden nach Beginn der Befreiungsoffensive gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), traf ihn nach einem Artillerieangriff ein Schrapnell am Kopf. Koalitionskräfte flogen den schwerverletzten Abu Leyla noch am selben Tag in ein Krankenhaus im südkurdischen Silêmanî aus. Dort erlag der zum Zeitpunkt seines Todes 32-Jährige zwei Tage später seiner Kopfverletzung.

Anwesend bei dem Grabbesuch auf dem Gefallenenfriedhof Şehîd Dîcle waren Menschen aus verschiedenen Gebieten der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Neben der Ehepartnerin und den vier Töchtern waren viele der früheren Weggefährt:innen Abu Leylas gekommen, darunter Angehörige der Militärrats von Minbic, den er mitbegründet hatte. Mehmûd El Îdo, ein Kommandant des Kampfverbands, würdigte Abu Leyla als „unvergessener Held, Schlüsselfigur der Revolution und unverzichtbare Identifikationsfigur“ mit einem festen Platz im Herzen der Völker der Region. Seine Worte wurden mit der Parole „Şehîd namirin“ (Die Gefallenen sind unsterblich) begleitet.


Wer war Abu Leyla?

Abu Leyla, der bürgerlich Feysel Ebdî Bilal Sadûn (Faisal Abdi Bilal Saadoun) hieß, wurde 1984 in Qererişk bei Kobanê geboren, wuchs jedoch in Minbic auf. Um seine finanziell schlecht gestellte Familie zu unterstützen, verzichtete er auf ein Studium und arbeite stattdessen als Mechaniker in einer Autowerkstatt. Als im Jahr 2011 in Syrien die Revolution ausbrach, beteiligte er sich an den Protesten gegen das Regime. 2012 schloss er sich der Freien Syrischen Armee (FSA) an, die einst als Zusammenschluss säkularer Assad-Gegner gegründet wurde, heute jedoch unter türkischer Ägide an der Besatzung von Rojava beteiligt ist.

Als in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 2012 in Kobanê die Revolution begann und die Bevölkerung unter der Initiative des Volksrats Westkurdistan (MGRK) das Baath-Regime aus der Stadt verdrängte, weitete sich der Volksaufstand davon angespornt auf die gesamte Region aus. Rojava schlug einen dritten Weg jenseits des Baath-Regimes und der vom Westen, der Türkei und den Golfstaaten protegierten Opposition ein, während der Rest von Syrien zunehmend im Bürgerkrieg versank. Zu dieser Zeit wirkte Abu Leyla daran, die Jabhat al-Akrad zu gründen, die für ein „pluralistisches Syrien“ kämpfte und deren vollständiger Name „Brigade der kurdischen Front zur Unterstützung des syrischen Volkes“ lautete. Die Gruppe kämpfte unter anderem in Şêx Meqsûd, Eşrefiye und anderen Orten von Aleppo, in Efrîn, Şehba und Teilen von Raqqa.

Anfang 2014 war Abu Leyla Mitbegründer der Brigade „Shams al-Shamal”. Im September desselben Jahres begann die Belagerung seiner Geburtsstadt. Er nahm mit seiner Gruppe an der Befreiung Kobanês teil und wurde im Verlauf der Offensive sieben Mal verwundet. Nachdem die Stadt vom IS befreit wurde, kämpfte er auch in Girê Spî (Tall Abyad), Hesekê, Ain Issa, Şedadê, Sirrîn und Tischrin erfolgreich gegen den Terror. Der Sprecher des Militärrats von Minbic, Şervan Derwêş sagte 2022 in einem Interview über seinen einstigen Weggefährten Abu Leyla:

Das Wort Abu ist ein Bestandteil männlicher arabischer Beinamen mit der Bedeutung „Vater von“. In der Region ist es üblich, dass Beinamen den Namen des ältesten Sohnes beinhalten. Abu Leyla war Vater von vier Töchtern, und benannte sich nach seiner ältesten Tochter Leyla. In einem Interview sagte er, die Namenswahl sei eine bewusste politische Botschaft, um sein Engagement für die Gleichstellung von Frauen zu unterstreichen. | Foto: Leyla Sadûn, rechts daneben ihre Mutter und zwei ihrer Schwestern © ANHA


„Ein wahrhaftiger Pionier“

„Er erkannte die Notwendigkeit von Verteidigungskräften zum Schutz aller Bevölkerungsgruppen. Im Grunde war die Person Abu Leyla in Minbic der ausschlaggebende Faktor für die Bildung des Verständnisses für Selbstverteidigung. Er war federführend, wenn es darum ging, bewaffnete Einheiten zu bilden und sie zu organisieren, und bekannt für sein praktisches Engagement. Ganz gleich, um welche Aufgabe es auch ging, stets war er als Erster an Ort und Stelle. Er hatte diese Fähigkeit, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, sie umzusetzen und jederzeit hinter ihnen zu stehen. Dadurch mobilisierte er sein ganzes Umfeld. Er strahlte die Aura eines wahren Pioniers aus, von der sich alle beeindrucken ließen. Sein Mut färbte ab und zog viele Menschen in die Reihen des Kampfes. Abu Leyla selbst war immer an vorderster Front. Jeder Aufgabe, die Mut und Opfer erforderte, ging er voraus. Die Persönlichkeit eines Menschen zeigt sich nicht bei der ersten Begegnung, ebenso bleiben Entscheidungskraft und Mut verborgen. Erst in der Krise beweist sich der wahre Charakter. Abu Leyla war eine Person für schwere Zeiten.“