Girê Spî: Hunderte Familien flüchten nach Raqqa

Nahezu täglich bombardieren türkische Besatzungstruppen bewohnte Dörfer bei Girê Spî, um auch den Rest der angestammten Bevölkerung zu vertreiben. Hunderte Familien suchen nun Schutz in Raqqa.

Die türkische Vertreibungs- und Umsiedlungspolitik in Nordsyrien im Sinne einer Annexion der zuvor selbstverwalteten Gebiete in den Regionen von Rojava, die in der sogenannten „Sicherheitszone“ liegen, hält unvermindert an. Die Städte Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) wurden bereits mit faktischer Billigung durch die USA, durch Russland und durch die Europäische Union besetzt. Der Nato-Partner Türkei versucht aber nach wie vor mit Unterstützung seiner dschihadistischen Verbündeten, die verantwortlich für Kriegsverbrechen, Massentötungen und unrechtmäßige Angriffe sind, auch die außerhalb der Besatzungszone liegenden Ortschaften von der angestammten Bevölkerung zu „säubern“, um Platz für Islamisten zu schaffen. Allein am Freitag sind Hunderte Familien aus den Dörfern Hurriya, Qizeli, Koperlik, Bir Kino und Hoşan Richtung Raqqa aufgebrochen. Wir trafen sie bei einem Zwischenstopp nahe Ain Issa. Die Vertriebenen sagen, dass sie aufgrund der fast täglichen Bombardierungen ihrer Wohngebiete keine andere Möglichkeit mehr sahen, als zu flüchten.

„Die türkische Armee weiß, dass sich in unseren Dörfern ausschließlich Zivilisten aufhalten. Dennoch schlagen dort täglich Artilleriegranaten ein. Die Häuser der Bewohner wurden systematisch zerstört. Der türkische Staat schätzt ein Leben in Stabilität einfach nicht“, sagt Xelîl Şêxo, einer der Geflüchteten.

Ähnliche Worte findet auch Fatme Ibrahim. „So etwas wie ein Gewissen besitzen diese Besatzungstruppen nicht. Weder die Türkei noch ihre Partner. Ich musste mein Haus, mit dessen Aufbau ich nahezu mein gesamtes Leben verbracht habe, nach so vielen Jahren verlassen.“

Seit der türkischen Invasion in Nordsyrien haben knapp 400.000 Menschen ihr zu Hause verloren. Die von der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens in verschiedenen Städten der Region ohne jegliche Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen errichteten Camps und Zeltstädte sind massiv überbelegt.