Eine Delegation, unter anderem bestehend aus sechs Abgeordneten der französischen Linken, darunter drei Frauen und drei Männer, besuchte kürzlich die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES). Zurück in Frankreich traf sich die Gruppe in Lorient mit kurdischen Einwohner:innen der Region, um über die Eindrücke ihrer Solidaritätsreise zu berichten.
Aufbau hinterlässt Eindruck
„Das System, das die Kurd:innen aufbauen wollen, hat uns sehr beeindruckt“, erklärte Danielle Simonnet, Abgeordnete der Neuen Volksfront, im Anschluss an das Treffen. Sie war gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Damien Girard Teil der Delegation. Simonnet schilderte ihre Eindrücke aus dem dreieinhalbtägigen Besuch, der mit einem langwierigen, zweitägigen Anreiseprozess verbunden gewesen sei.
„Widerdstand vor Ort miterleben“
Das Hauptziel des Besuchs sei laut Simonnet gewesen, das „Schweigen der internationalen Gemeinschaft über die Ereignisse in Rojava zu brechen und den Widerstand vor Ort selbst mitzuerleben.“ Die Delegation wurde vor Ort von Vertreter:innen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ empfangen und hatte direkt ein Treffen mit dem QSD-Generalkommandanten Mazlum Abdi.
„Die YPJ haben eine wichtige Rolle“
Ein prägender Moment für die Gruppe war der Austausch mit dem Jineolojî-Komitee, bei dem Simonnet von den ersten Tätigkeiten in den vom selbsternannten Islamischen Staat (IS) befreiten Dörfern erfuhr. „Die erste Aktivität in diesen Gebieten bestand darin, Frauentreffen zu organisieren. Es war beeindruckend zu erfahren, wie Frauen nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen patriarchale Strukturen kämpften“, sagte sie. Sie betonte, dass die YPJ eine wichtige Rolle dabei spielten, Frauen zu Versammlungen einzuladen, um so die Rechte der Frauen durch Organisierung dauerhaft zu sichern.
„Menschen voller Lebensfreude in Kriegsumgebung“
Besonders überrascht zeigte sich Simonnet von der landschaftlichen Vielfalt in Rojava. „Ich hatte gedacht, Rojava bestehe nur aus flachen Ebenen, aber die Natur dort ist bergig und üppig grün“, erzählte sie. Sie nahm an einer Feier in Kobanê zum Jahrestag der Befreiung vom IS teil, bei der Menschen aller Religionen und Ethnien gemeinsam tanzten und feierten. „Es war bemerkenswert, wie voller Lebensfreude die Menschen in dieser Kriegsumgebung sind“, so Simonnet weiter. Die Abgeordnete war beeindruckt von dem System, das die Kurd:innen in der Region aufbauen wollen.
„Die Gräber der tapferen jungen Menschen“
Der Besuch des Gefallenenfriedhofs in Kobanê, auf dem Tausende junger Menschen bestattet sind, hinterließ ebenfalls bleibende Eindrücke bei der Delegation. „Es war ein sehr emotionaler Moment, die Gräber dieser tapferen jungen Menschen zu sehen“, erinnerte sich Simonnet.
Besuch in Camp Hol
Einer der schockierendsten Besuche der Delegation galt Camp Hol. Die Delegation berichtete, dass ein Bereich des Lagers in zwei Teile geteilt sei; auf der einen Seite befänden sich die Familien der IS-Söldner und auf der anderen Seite diejenigen, die den IS verlassen hätten. Simonnet wies auch auf die erschreckend hohe Geburtenrate in Rojava hin, die zehnmal höher sei als in anderen Teilen der Region. „Die Demokratischen Kräfte Syriens haben wiederholt die internationale Gemeinschaft gebeten, entweder ein Tribunal einzurichten oder die Länder aufzufordern, ihre eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen“, sagte sie. Doch trotz dieser dringenden Appelle habe die internationale Gemeinschaft keine klaren Schritte unternommen.
Schutz der Vielfalt
Im Gespräch mit QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi wurde die Bedeutung des Schutzes der Frauenrechte sowie der kulturellen und ethnischen Rechte für die Zukunft Rojavas betont. Auch die aktuelle Situation im gesamtsyrischen Kontext wurde thematisiert. „Die QSD sind nicht grundsätzlich gegen einen Beitritt zur syrischen Armee, aber sie können ihre Waffen nicht niederlegen, ohne eine Garantie für den Demokratischen Konföderalismus zu erhalten“, erklärte Simonnet.
„Frankreich beugt sich dem türkischen Druck“
Abschließend kritisierte sie die französische Politik gegenüber Rojava und die Haltung der EU: „Erdoğan führt einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Kurd:innen. Während Frankreich der EU-Politik folgt und sich dem Druck des türkischen Staates durch Flüchtlingsdeals beugt.“ Sie hob hervor, dass das System, das in Rojava aufgebaut werde, ein Modell sei, dem auch andere Länder folgen sollten.
Fehlende Gerechtigkeit nach Paris-Massakern
Mit Blick auf die Massaker an kurdischen Aktivist:innen in Paris 2013 und 2022 zeigte sich Simonnet enttäuscht, dass Frankreich keine klare Antwort auf die Suche nach Gerechtigkeit gegeben habe. Die PKK stehe noch immer auf Druck des türkischen Staates auf der EU-Terrorliste.
Aufruf zur Solidarität
„Wir sollten weiterhin solidarisch sein und den demokratischen Konföderalismus in Rojava unterstützen. Die Lebensfreude und der Widerstand der Menschen in Rojava sind für uns eine große Inspiration“, schloss Danielle Simonnet.