Erneute Vertreibung der Armenier

Die Nachfahren der Überlebenden des armenischen Genozids von 1915 sind ein weiteres Mal vertrieben worden. Dreißig Familien aus Serêkaniyê sind vor der türkischen Invasion geflüchtet.

Die Nachkommen der Armenier, die vor dem Völkermord 1915 nach Serêkaniyê (Ras al-Ain) fliehen mussten, sind 104 Jahre später ein weiteres Mal vertrieben worden. Aufgrund der Angriffe des türkischen Staates und seiner dschihadistischen Hilfstruppen sind ungefähr dreißig armenische Familien aus Serêkaniyê geflüchtet.

Genozide stehen in der Tradition des türkischen Staates, meinen die Betroffenen. Ermutigt werde die Türkei durch das beharrliche Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu den Verbrechen. „Die Massaker und die Besatzung lassen sich nicht verhindern, indem man sie nur kritisiert“, halten sie fest.

Wenn jemand für den armenischen Genozid zur Rechenschaft gezogen worden wäre

Wail Oseb ist einer der Armenier, die Serêkaniyê aufgrund der türkischen Invasion verlassen haben. Seine Vorfahren sind 1915 zunächst nach Kobanê geflüchtet und haben sich später in Serêkaniyê niedergelassen. Er sagt: „Wir werden die Osmanen nicht los. Damals sind anderthalb Millionen Armenier ermordet worden. In all den Jahren, die seitdem vergangen sind, hat niemand die Täter zur Rechenschaft gezogen. Wenn jemand für die Verbrechen der Osmanen zur Rechenschaft gezogen worden wäre, würde der türkische Staat heute nicht dasselbe tun.“

Niemand wird in die Besatzungszone zurückkehren

Wail Oseb verweist darauf, dass Hunderttausende Menschen durch die türkische Invasion in die Flucht getrieben und ihr zurückgelassenes Besitztum jetzt von den Besatzern geplündert wird. „Solange der türkische Staat und die Dschihadisten in Serêkaniyê sind, wird niemand dorthin zurückkehren. Das weiß die ganze Welt, aber niemand tut etwas. Wir Armenier, Kurden, Araber und Suryoye wollen in unsere Häuser zurück. Wir wollen, dass die Besatzung aufhört“, sagt er.

Erdoğan wiederholt das Szenario seiner Vorfahren

Sein Bruder Cezayir Oseb ergänzt: „Erdoğan wiederholt das Szenario seiner Vorväter mit den Armeniern, Kurden, Suryoye und Arabern. Alle schweigen zu Erdoğans Taten. Die USA, Russland, die UN und Europa verurteilen sie nur verbal. Verurteilen ist einfach, das kann ich auch, aber es wird nichts unternommen. Der türkische Staat setzt jede Form von Waffen ein. Ohne Rücksicht auf Kinder und Frauen sind verbotene Kampfstoffe wie weißer Phosphor benutzt worden. Niemand tut etwas dagegen.“

Cezayir Oseb betont, dass Armenier, Kurden, Suryoye und Araber im Namen des Islam getötet werden: „Es gibt einen Mörder, aber niemand sagt etwas. Trump hat behauptet, dass er Angriffe nicht zulässt, aber Erdoğan hat er es erlaubt. Ohne seine Erlaubnis hätte Erdoğan Serêkaniyê nicht angreifen können. Er lässt sich durch Kritik nicht aufhalten. Die Neigung zum Massaker liegt wohl in seinen Genen.“

Unsere Kinder haben Angst

Xelîl Cemil Oseb, der dritte Bruder, erzählt, dass sie Serêkaniyê am dritten Tag der Invasion verlassen mussten: „Die Kinder hatten große Angst. Wir sind nach Hesekê gegangen, aus unserem Dorf waren es sechs Familien. Wir haben mit den Kurden und Arabern zusammengelebt. Dann sind wir mit Flugzeugen und Granaten angegriffen worden.“

Mit der Revolution in Rojava hätte sich die Lage verbessert, mein Xelîl Cemil. Einer seiner Söhne ist bei den YPG, ein anderer bei den Sutoro. „Vor der Invasion ging es uns gut. Niemand hat sich eingemischt. Alles war normal. Wir haben Feld- und Viehwirtschaft im Dorf betrieben. Unsere Kinder gingen zur Schule. Jetzt ist alles vorbei. Wir würden gerne zurückkehren, aber solange der türkische Staat und die Dschihadisten dort ist, können wir nicht.“