Seit Beginn der Krise in Syrien hat der türkische Geheimdienst verschiedenste Methoden eingesetzt, um an Einfluss in der Region zu gewinnen und die demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen durch die Schaffung von Chaos in der Region zu schwächen. Dazu benutzt der türkische Geheimdienst auch bestimmte kurdische Strukturen. Immer wieder tauchen Belege auf, dass der türkische Staat Personen für solche Operationen bezahlt. So waren Personen aus dem ENKS und seinem Umfeld in die Massaker von Til Eran und Til Hasil am Beginn der Revolution verwickelt, aber auch in die Angriffe auf Şêxmeqsud, Serekaniyê und Efrîn.
Im ENKS sind nahezu alle kurdischen Gruppen mit engen Verbindungen zum türkischen Staat vertreten. Diese Gruppen operierten unter anderem gegen die YPG und YPJ gemeinsam mit dem Al-Qaida-Ableger al-Nusra. Die Nachrichtenagentur ANHA hat Videoaufnahmen veröffentlicht, die zeigen, dass diese Gruppen in Nordsyrien und insbesondere in Efrîn und Şêxmeqsud die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen angegriffen haben. Sie haben an den Angriffen teilgenommen, bei denen in Efrîn Hunderte Zivilisten getötet und Hunderttausende in die Flucht getrieben worden sind.
Auf den Aufnahmen sind das zu den Gruppen „Selahaddin“ und „Azadî“ gehörende „Heyani-Bataillon“ und das „Şuheda-Bedir-Bataillon“, welches Şêxmeqsud angegriffen hat, gemeinsam zu sehen. Diese Milizen greifen das zwischen den Stadtvierteln Şêxmeqsud und Eşrefiye gelegene Muxaberat-Gebiet an. Das „Heyani-Bataillon“ ist insbesondere durch Plünderungen und Erpressungen in Aleppo zu zweifelhaftem Ruhm gelangt.
Der Kameramann ruft auf dem Video eine Person namens Renas auf Kurdisch. Renas antwortet: „Die Helden von Birc Ebdala [einem Dorf in Efrîn] und die Männer vom Selahaddin-Bataillon.“ Auf Arabisch beschimpft er außerdem den Volksrat von Rojava. Er bezeichnet das am Angriff teilnehmende „Heyani-Bataillon“ als „Brüder“, während diese unter der Fahne der Miliz „Allahu Ekber“ brüllen.
Korrespondenten der Nachrichtenagentur ANHA sind nach Şêxmedsud gefahren, um mit Menschen der dortigen Bevölkerung über ihre Erfahrungen mit den Milizen zu sprechen.
Die Massaker von Til Eran und Til Hasil
Schon vor den Geschehnissen in Şêxmeqsud fällt insbesondere die Beteiligung ENKS-naher Milizen am Massaker von Til Eran und Til Hasil ins Auge. Das Massaker wurde von al-Nusra und zum ENKS gehörigen Gruppen am 27. Juli 2013 begonnen und endete erst am 29. Juli 2013. Dabei wurden mehr als 50 Menschen ermordet, sieben der Ermordeten wurden geköpft.
Die Azadî-Gruppe unter der Führung von Azad Şehbo aus Til Eran war unter den Tätern. Azad Şehbos Vater war ein hochrangiger Soldat im syrischen Staatsdienst und bereits an Massakern an der Bevölkerung der Region beteiligt.
Danach griffen ENKS-Gruppen gemeinsam mit Liwa El Tehid Efrîn an und wurden von den YPG und YPJ zurückgeschlagen.
Vom türkischen Geheimdienst ausgebildet
Als die Milizen in Şêxmeqsud und Efrîn scheiterten, brachte der türkische Staat neue Methoden ins Spiel. Die Milizen verschwanden von der Bildfläche und wurden nach Südkurdistan gebracht, wo sie als „Rojava-Peschmerga“ vom türkischen Staat ausgebildet wurden.
Obwohl der ENKS im Sinne türkischer Interessen erklärte, dass diese Gruppe den Platz der YPG einnehmen und die Forderungen der Kurden erfüllen werde, wies die Bevölkerung von Rojava die Gruppe zurück. Die Ausbildung dieser Gruppe fand in türkischen Basen in Südkurdistan statt und wurden, wie die Aufnahmen zeigen, sogar vom damaligen türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu besucht.
Sie nahmen an der Besatzung von Efrîn teil
Auch bei der Besatzung von Efrîn spielten diese Gruppen eine wichtige Rolle. Nach ihrer Ausbildung in der Türkei kehrten sie in die Region zurück und nahmen an Angriffen teil. Sie dienten dabei dem türkischen Militär als Ortskundige. Die Milizen spielten eine entscheidende Rolle bei den Massakern und Vertreibungen in Efrîn.
Azad Şehbo tauchte ebenfalls erneut bei den Angriffen auf Efrîn auf. Auf manchen Aufnahmen wird deutlich, wie Azad Şehbo den Soldaten den Weg an der Grenze zeigt und gemeinsam mit den türkischen Panzern in Efrîn einmarschiert.
Kurdische Fahne in Efrîn wie einst in Serêkaniyê verboten
Auf Aufnahmen aus dem Jahr 2012 ist zu sehen, wie Milizionäre mit ENKS-Mitgliedern streiten, weil diese die südkurdische Fahne gehisst haben. In den vergangenen Tagen waren ähnliche Aufnahmen aus Efrîn zu sehen. Auf dem Azadî-Platz im Zentrum von Efrîn versammeln sich Milizionäre und ein kurdischer Presseverantwortlicher trägt neben dem Emblem der Miliz und der türkischen Fahne eine kleine kurdische Fahne. Nach Informationen der Nachrichtenagentur ANHA wurde die kurdische Fahne abgerissen und ihr Träger vom türkischen Militär – für das er Propaganda gemacht hatte – festgenommen und gefoltert.