Efrîn: Schreckensherrschaft und der innere Feind

Die Unterdrückung der nach der türkischen Besatzung in Efrîn verbliebenen Menschen nimmt täglich zu. Am meisten leiden sie unter den „inneren Verrätern“.

Nach der Besatzung des nordsyrischen Kantons Efrîn begehen die türkisch-islamistischen Besatzungstruppen tagtäglich weitere Verbrechen. Zum einen werden in Absprache mit Russland Milizen aus Ost-Ghouta und anderen syrischen Orten in Efrîn angesiedelt, um die demografische Struktur der Region zu verändern. Zum anderen werden die Menschen, die Efrîn nicht verlassen haben, massiv unter Druck gesetzt.

Î.N.E. wollte zunächst in seinem Dorf bleiben, musste jedoch aufgrund der herrschenden Repression nach Şehba fliehen. Gegenüber ANF hat er sich zu der aktuellen Situation in Efrîn geäußert.

 

Er habe in seiner Heimat bleiben wollen, als die Besatzungstruppen kamen, erzählt er. Nur er sei noch im Dorf gewesen. Nachdem die Milizionäre ihn verhört hätten, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als sein Dorf zu verlassen: „Meine gesamte Familie ist weggegangen, aber ich wollte nicht weg. Dann kamen sie und haben mich verhört. Sie warfen mir vor, eine Waffe zu besitzen. Mir wurde klar, dass sie mich nicht in Ruhe lassen würden, und so bin ich vor drei Tagen mit einigen anderen hierhergekommen. Auf dem Weg wurden wir von Milizionären aufgehalten. Sie wollten Geld von uns, 5000 Lira pro Person. So viel Geld hatten wir nicht. Wir gaben ihnen alles, was wir hatten, daraufhin ließen sie uns laufen.“

Ausgangssperre und Folter

In den ersten Tagen hätten sich die Milizen zurückgehalten, um akzeptiert zu werden, erzählt Î.N.E. weiter. Später hätten sie alle verhört und nach 20.00 Uhr eine Ausgangssperre verhängt. „Sie kamen mitten in der Nacht und nahmen meinen Bruder mit. Er wurde gefoltert und anschließend wieder freigelassen. Sie behaupteten, er habe gegen das Ausgangsverbot verstoßen. Nach 20.00 Uhr durften wir das Haus nicht verlassen. Wir durften uns ohnehin nur innerhalb des Dorfes bewegen.“

„Unter uns gibt es Spitzel“

Einige Kurden aus Efrîn würden mit den Besatzungstruppen zusammenarbeiten und die Bevölkerung für sie bespitzeln, teilt Î.N.E. mit: „Einzelne betätigen sich als Spitzel. Zum Beispiel ist unser Dorfvorsteher ausspioniert worden. Die Milizionäre sind auch zu ihm gegangen und haben ihn des Waffenbesitzes beschuldigt. Für uns sind nicht diese Banden das schlimmste. Am schlimmsten sind die Verräter unter uns. Die Milizen betrachten wir sowieso als Feinde, ihr Vorgehen verwundert uns nicht. Aber die Verräter unter uns gehen uns nahe.“

„Unsere Tiere wurde beschlagnahmt“

Viele Menschen seien von den Besatzern gefangengenommen und an unbekannte Orte verschleppt worden, so Î.N.E. Gleichzeitig sei ihr Eigentum geplündert worden. „Von meinem Neffen sind 22 Tiere beschlagnahmt worden. Sie haben sie einfach mitgenommen. Dorf für Dorf wird geplündert. In Eyn Darê und Basûtê wollten einige Familien in ihre Häuser zurückkehren, aber die Banden haben sie davongejagt. Sie haben ihnen nicht erlaubt, ihre Häuser zu betreten.“

„Die Milizen werden von ENKS-Anhängern herumgeführt“

N.C. hält sich weiterhin in einem Dorf in Efrîn auf. Telefonisch teilte sie ANF gegenüber mit, die Häuser im Dorf seien einzeln von Milizionären durchsucht worden. Die Milizionäre würden von ENKS-Mitgliedern herumgeführt und über die Dorfbevölkerung aufgeklärt. Gemäß diesen Informationen seien die Häuser von YPG/YPJ-Kämpfer*innen und anderen Patrioten geplündert und angezündet worden, so N.C. Bei diesem Vorgehen seien sie von türkischen Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen begleitet worden.

„Es sind so viele Menschen verschleppt worden“

Viele patriotische Menschen seien von den Besatzungstruppen gefangen genommen und an unbekannten Ort verschleppt worden, berichtet N.C.: „Wir wissen nicht, wohin sie gebracht worden sind. Es heißt, dass die meisten nach Azaz gebracht und dort vor Gericht gestellt werden. Die Milizen zwingen die Bevölkerung, sich auf den Dorfplätzen zu versammeln und sich ihre neuen Regeln anzuhören. Sie sagen, dass sie Dorfräte gründen wollen. Dabei gehen sie gemeinsam mit dem ENKS vor.“

Schutzgelderpressung

Die Besatzer erlaubten den Anwohnern nicht, in ihre Häuser zurückzukehren. In Ausnahmefällen werde gegen Schutzgeldzahlung eine Genehmigung erteilt, so N.C. So sei einer Familie aus dem Dorf Basûtê im Bezirk Şêrawa mitgeteilt worden, sie könne nur gegen Zahlung von 300.000 Lira in ihr Haus zurück. Anderen sei eine „Steuer“ auferlegt worden. Wird die Zahlung verweigert, wird der Besitz der Betroffenen beschlagnahmt, berichtet N.C.