Ein Augenzeuge aus Efrîn berichtet

M.Q. ist ein junger Mann aus Efrîn. Ihm ist die Flucht nach Şehba geglückt. Im ANF-Interview berichtet er, was er vorher erlebt hat.

Seit Beginn der türkischen Militärinvasion in dem nordsyrischen Kanton Efrîn am 20. Januar dieses Jahres werden in dem besetzten Gebiet systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen. Täglich erreichen uns neue Meldungen über Fälle von Folter, Entführungen, Vergewaltigungen, Mord und Plündereien.

M.Q. ist ein junger Mensch aus Efrîn, der sein Dorf Keferşînê bei der Besatzung am 18. März nicht verlassen konnte. Erst Monate später gelang ihm die Flucht. Gegenüber ANF hat er von seinen Erlebnissen berichtet:

„Als die Dschihadisten nach Keferşînê kamen, war ich immer noch dort. Ich konnte das Dorf nicht verlassen. Später bin ich nach Efrîn gegangen. Dort blieb ich etwa 40 Tage. Ich konnte nicht zurückkehren, weil ich gesucht wurde. Fotos von mir wurden über Facebook verbreitet. Ein Verwandter von mir wurde gefoltert, damit er meinen Aufenthaltsort verrät. Er tat es nicht, daraufhin haben sie ihn mitgenommen. Wo er jetzt ist, wissen wir nicht.“

Zwölfjährige Kinder gefoltert

Die Menschen in Efrîn werden ständig gefoltert. Die Besatzer dringen in die Häuser ein und misshandeln die Bewohner. In allen Häusern behaupten sie, die Bewohner hätten sich an der Organisationsarbeit beteiligt, und dann werden sie gefoltert. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob jemand der Organisation nahesteht oder nicht. Alle werden mit der gleichen Begründung verschleppt. Es werden sogar zwölfjährige Kinder gefoltert. Für die Besatzer macht es keinen Unterschied, ob ihre Opfer jung oder alt sind. Es werden ausnahmslos alle gefoltert. Aus meinem Viertel sind über zwanzig meiner Freunde verhaftet worden. Die Frau von einem meiner Freunde war Lehrerin. Sie konnte entkommen, aber meinen Freund haben sie erwischt. In unser Dorf sind sehr viele Dschihadisten gekommen. Ich konnte es dort nicht mehr aushalten und wollte unbedingt weg, selbst wenn es den Tod bedeuten sollte.“

Türkische Ausweise für die Wahlen vergeben

„Der türkische Staat hat den Menschen Ausweise versprochen, angeblich damit sie sich in Efrîn freier bewegen und sogar ins Ausland gehen können. Alle haben Ausweise bekommen. Am Wahltag mussten dann alle in der Türkei wählen gehen. Die Ausweise wurden nur deshalb vergeben.

Einige Familien in Efrîn sind jetzt wohnungslos. Sie haben zwar Häuser im Dorf, aber die sind besetzt. Wer Felder oder Gärten besitzt, muss dafür jetzt Pacht bezahlen. Oder die Besitzer müssen im Garten arbeiten und bekommen dafür einen geringen Lohn, als ob sie Diener seien.“

Türkische Soldaten, FSA und ENKS arbeiten zusammen

„Die FSA-Banden und der ENKS arbeiten zusammen. In einigen Dörfern lassen sie die Menschen für sich arbeiten. Weigern sich die Dorfbewohner, werden sie gefoltert. Die türkischen Soldaten, die FSA und der ENKS bewegen sich zusammen. Sie fahren von Dorf zu Dorf und verhaften Menschen als vermeintliche Organisationsmitglieder.“