Dr. Nebbo: Corona-Maßnahmen in Rojava reichen nicht aus

In den nordsyrischen Regionen Şehba und Şêrawa sind Hunderttausende Menschen von der Covid-19-Pandemie bedroht. Trotz fehlenden Möglichkeiten, Angriffen und dem Embargo versuchen die Autonomiebehörden, die Bevölkerung zu schützen, erklärt Dr. Hesen Nebbo.

Die Regionen Şehba und Efrîn-Şêrawa sind weitgehend isoliert. Die selbstverwaltete Region Şehba ist vom syrischen Regime und der Türkei umstellt und steht de facto unter einem Embargo. Ursprünglich lebten etwa 90.000 Menschen in dem Gebiet, heute sind es mehr als 230.000 Menschen – vor allem Binnenflüchtlinge aus Efrîn, die in Flüchtlingslagern und Dörfern untergebracht sind. Wir sprachen mit Dr. Hesen Nebbo vom Kurdischen Roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê).

„In den Regionen Şehba und Şêrawa müssen wir Maßnahmen auf höchstem Niveau ergreifen, um die Bevölkerung zu schützen. Aber mit den aktuellen Vorkehrungen können wir uns selbst nicht schützen", sagt Nebbo über die aktuelle Lage. „Die Autonomieverwaltung hat eine Ausgangssperre ausgerufen, wir haben die Menschen informiert und Kontrollpunkte aufgebaut. Damit die Seuche nicht eingeschleppt wird, haben wir an den Grenzen der Region wie an der Straße nach Aleppo Kontrollpunkte errichtet. Wir messen bei den ankommenden Personen Fieber. Die Geräte sind nicht besonders gut, aber das ist alles, was wir hier haben.

Informationskampagne vor der Ausgangssperre

Vor der Ausrufung der Ausgangssperre sind wir mit Lautsprecherwagen durch alle Straßen der Dörfer und Städte gefahren und haben den Menschen erklärt, warum sie die Häuser nicht verlassen sollten und wie sie sich vor der Krankheit schützen können. Wir haben ein Notfall-Team gebildet. Dieses Team wird als erstes die Kranken in der Region Şêrawa besuchen und falls Verdachtsfälle auftreten, die Menschen ins Krankenhaus bringen. Wir haben eine Notfalleinrichtung dafür im Krankenhaus aufgebaut, um die Kranken unter Quarantänebedingungen behandeln zu können.

Flüchtlingslager stellen großes Risiko dar

In dieser Region gibt es viele Flüchtlingslager und deren Bewohnerinnen und Bewohner sind einem großen Risiko ausgesetzt. Wir haben das Betreten und Verlassen der Camps verboten. An den Eingängen stehen Kontrollteams. Die messen Fieber, bei denen die kommen oder gehen müssen. Unsere Krankenstationen in den Lagern sind rund um die Uhr geöffnet. Wir nehmen dort nur Notfälle an. Wir haben schon vorher schwer Kranke betreut. Diese besuchen wir in ihren Zelten, und wenn sich ihr Zustand verschlechtert, bringen wir sie ins Krankenhaus. Unsere Teams warnen die Bevölkerung ständig vor der Pandemie.

Maßnahmen reichen nicht aus

All diese Maßnahmen reichen nicht aus, sie können keine einzige Erkrankung aufhalten. Uns fehlt es im technischen Bereich und an medizinischer Ausstattung an allem. Keine Gesundheitsorganisation oder humanitäre Institution hat uns geholfen. Uns fehlen Beatmungsgeräte, es mangelt an Handschuhen und Masken. Wir haben keine Fachärztinnen oder -ärzte und nicht ausreichend Gesundheitspersonal.

Wir sind umzingelt

Weil wir umzingelt sind, können wir uns nur schwer versorgen. Das syrische Regime lässt das Material nicht durch seine Kontrollpunkte. Es werden ständig Genehmigungen verlangt und die Straßen werden geschlossen. Wenn hier die Pandemie ausbricht, brauchen wir mindestens zehn bis fünfzehn Beatmungsgeräte, aber wir haben nur fünf. Wir fordern sowohl die WHO als auch das syrische Regime auf, uns zu unterstützen.”