„Die Völker Nord- und Ostsyriens sind zum Widerstand entschlossen“

Angesichts der Angriffe auf die Infrastruktur von Nordostsyrien erklärt die Ko-Vorsitzende der Selbstverwaltung, Bêrîvan Xalid, dass die Menschen den Angriffen zum Trotz entschlossen an der Revolution festhalten.

Nach den hohen Verlusten der türkischen Armee im Guerillagebiet in Südkurdistan fliegt die türkische Luftwaffe erneut schwere Angriffe auf die zivile Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien. Offensichtlich versucht das Regime in Ankara, die Bevölkerung dort für das Scheitern seiner Invasion in Südkurdistan zu bestrafen. So nimmt es die Menschen in Rojava de facto in Geiselhaft.

Die Stromversorgung in fast dem ganzen Kanton Cizîrê und auch großen Teilen des Kantons Firat ist aufgrund gezielter Angriffe auf zivile Infrastruktur zusammengebrochen. Aufgrund des schweren Schadens durch Angriffe auf die Ölversorgungseinrichtung Ewda (Odeh) in Tirbespiyê sind fünf Tiefbrunnen und damit auch die die Wasserversorgung von Tirbêspiyê ausgefallen.

Nach Angriffen auf das Kraftwerk an der südlich von Kobanê verlaufenden Straße nach Aleppo fiel der Strom im Zentrum Kobanês und in 300 umliegenden Dörfern aus. Am Kraftwerk entstand ein Sachschaden in Höhe von geschätzt 800.000 Dollar, außerdem wurden mehr als zehn Wasserbrunnen beschädigt.

89.000 Haushalte im Kanton Firat haben keine Strom- und Wasserversorgung mehr, in 660 Dörfern und Weilern ist die Versorgung vollständig zusammengebrochen. Aufgrund der andauernden Angriffe auf die Region wächst die Zerstörung der Infrastruktur allerdings im Minutentakt.

Es wird versucht, die Region in einer Flut aus Angst zu ertränken“

Bêrîvan Xalid, Ko-Vorsitzende der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), berichtete im ANF-Hintergrundgespräch über die schweren Angriffe, die der türkische Staat gegen die selbstverwalteten Regionen in Nord- und Ostsyrien fliegt. Xalid bewertete diese Angriffe wie folgt: „Der türkische Staat versucht zu verhindern, dass die Menschen ein friedliches und geregeltes Leben führen können. Wir werden heftig angegriffen, so sollen die Lebensbedingungen hier bis hin zur Unerträglichkeit erschwert werden. Die Region soll in einer Flut aus Angst ertränkt werden, so will man das Projekt der demokratisch-autonomen Selbstverwaltung vernichten. Die Infrastruktur der Region soll zerstört werden, und die Menschen sollen im Elend versinken. Das Leid der Menschen soll weiter gesteigert werden. Indem man dafür sorgt, dass die Menschen nicht mehr in der Lage sind, ein Dach über dem Kopf und Nahrung zu finden, will man die Region entvölkern. Der türkische Staat versucht auch, sich an den Menschen zu rächen, die den Sieg über den IS errungen haben. Denn die Menschen in der Region haben bis zum Schluss Widerstand gegen den IS geleistet und den IS-Terror unterbunden. Der türkische Staat will nicht nur Rache üben, sondern auch dem IS neues Leben einhauchen.“

„Versorgung mit Strom, Wasser und Brennstoff ist unterbrochen“

Zum Ausmaß der Zerstörung sagt Xalîd: „Das oberste Ziel der Selbstverwaltung ist es, der Bevölkerung zu dienen und gute Lebensbedingungen für die Menschen zu schaffen. Doch durch die Angriffe des türkischen Staates wurde die Infrastruktur der Region schwer getroffen. Es kam zu großen Sachschäden und viele Einrichtungen und Institutionen, die unsere Bevölkerung versorgen, mussten ihre Dienste einstellen. Vor allem die Strom- und Wasserversorgung sowie die Brennstoffversorgung sind unterbrochen. Der türkische Staat greift Bäckereien und Getreidesilos an. Einrichtungen, die die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung decken, werden attackiert. In Anbetracht der entstandenen Sachschäden werden viele weitere Einrichtungen und Institutionen ihren Dienst einstellen müssen.

Angriffe auf Sicherheitseinrichtungen stellen globale Gefahr dar“

Diese Angriffe werden auch viele Probleme im Hinblick auf die Sicherheit der Region mit sich bringen. Denn der türkische Besatzungsstaat hat es auf die Einrichtungen der inneren Sicherheit abgesehen. Es wurden viele Orte in der Nähe oder in der Umgebung der Gefängnisse angegriffen, in denen die IS-Verbrecher festgehalten werden. Mit diesen Angriffen kann sich der IS neu organisieren. Aus diesem Grund ist neben den Sachschäden auch die Sicherheit in der Region ernsthaft gefährdet. Dies stellt nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Völker der Welt dar.“

„Wir werden mit all unseren Möglichkeiten die Versorgung der Menschen fortsetzen“

Bei der Angriffswelle handelt es sich um die vierte seit September 2023. Xalid erklärte: „Die Angriffe hier dauern schon seit Jahren an. Begleitet werden diese Angriffe von einem tiefgreifenden Embargo gegen die Region. Seit Jahren findet eine Kriegspolitik gegen unsere Region auf der Grundlage politischer Interessen statt. Das Projekt der Demokratisch-Autonomen Verwaltung soll vernichtet werden. Als Demokratische Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien haben wir vom ersten Tag an bis heute erklärt, dass wir die Bedürfnisse unseres Volkes nach unseren Möglichkeiten erfüllen werden. Die der Autonomieverwaltung zur Verfügung stehenden Mittel sind sehr begrenzt, aber trotz der begrenzten Mittel haben wir uns dafür eingesetzt, die Lebensbedingungen unserer Bevölkerung immer wieder zu verbessern. Es ist jedoch nicht einfach, die Infrastruktur unter intensiven Angriffen zu erneuern. Wir haben einige Maßnahmen ergriffen, aber die Angriffe gehen ununterbrochen weiter. Unter diesen Bedingungen wird es zu Unterbrechungen im Entwicklungsprozess kommen, denn noch bevor die Wunden der vorangegangenen Angriffe verheilt sind, werden neue Angriffe gestartet, und es wird schwierig sein, die Menschen zu versorgen. Unsere Möglichkeiten waren schon zuvor begrenzt, mit den Angriffen werden unsere Möglichkeiten noch weiter eingeschränkt. Leider werden die Lebensbedingungen der Menschen schwieriger werden, und diese Schwierigkeiten werden sich verschärfen. Aber wir werden unserem Volk weiterhin so gut wie möglich dienen.“

Das Volk ist zum Widerstand entschlossen“

Bêrivan Xalid wies auf die Haltung der Menschen in Nord- und Ostsyrien gegenüber den Angriffen hin: „Die Menschen in der Region haben seit dem Beginn der Revolution von Rojava eine sehr starke Haltung gegenüber den Angriffen gezeigt, sie waren ständig auf den Straßen und haben auf Widerstand bestanden, anstatt ihn aufzugeben. Diese Haltung der Völker wird auch bei den Angriffen dieser Tage deutlich: Sie haben einmal mehr gezeigt, dass sie auf Widerstand bestehen. Sie verteidigen, lieben und schützen ihre Heimat. Aus diesem Gefühl des Patriotismus heraus gehen sie nicht weg. Die Selbstverwaltung schöpft ihre Kraft und Moral aus dem Volk. Die Völker haben sich um die Selbstverwaltung geschart und sich mobilisiert, um die Errungenschaften der Autonomieverwaltung zu schützen. Wir schöpfen unsere Kraft aus unserem Volk, und unser Vertrauen in unser Volk ist grenzenlos. Es waren wiederum Frauen, die diesen Widerstand anführten. Die Frauen waren jeden Tag auf den Straßen und haben sich dem türkischen Staat entgegengestellt. Sie haben auf dem Schutz ihres Landes bestanden. Unser Volk muss seinen Widerstand weiter verstärken. Wir wissen, dass die Angriffe weitergehen werden, und unser Volk sollte seinen Widerstand verstärken, um seine Errungenschaften zu schützen und das Paradigma der demokratischen Nation zu verteidigen. Mit freien Frauen und freien Völkern werden wir die Rojava-Revolution zum Erfolg führen.“