„Der Demokratische Islam ist die Lösung gegen Fundamentalismus”

Der Demokratische Islam-Kongress Nord- und Ostsyriens fordert eine Auseinandersetzung mit dem ideologischen Grundgerüst des sogenannten IS und befürwortet den „Demokratischen Islam”, so wie er von Abdullah Öcalan vorgeschlagen wurde.

In Amûdê im nordsyrischen Kanton Qamişlo ging am Montag ein internationales Forum gegen den Terrorismus der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu Ende. Hunderte Expert*innen und persönliche Betroffene aus dem In- und Ausland nahmen an der dreitägigen vom Zentrum für strategische Studien Rojava (NRLS) veranstalteten Konferenz unter dem Titel „IS: Dimensionen, Herausforderungen und Strategien für Auseinandersetzungen“ teil.

Unter den Teilnehmenden waren auch islamische Religionsgelehrte aus Nord- und Ostsyrien. Sie fordern eine Auseinandersetzung mit dem ideologischen Grundgerüst des sogenannten IS und schlagen einen „Demokratischen Islam” vor, der im Grunde eine aktualisierte Fassung der „Charta von Medina” sei. Die IS-Ideologie habe sich in den Köpfen vieler Menschen manifestiert, eine rein militärische Bekämpfung reiche nicht aus, sagen die Gelehrten.

Religion bildet das Gefüge einer demokratischen Gesellschaft

Einer unserer Gesprächspartner ist Mihemed Mele Reşîd Gerzanî, Vorsitzender des Demokratischen Islam-Kongresses. Er sagt, dass alle Religionen dafür da seien, einen entscheidenden Einfluss auf das Glück eines Menschen zu haben. „Der militärische Kampf gegen den IS wäre nur eine provisorische Lösung, wir müssen diese Ideologie mit dem wahren Islam bekämpfen. Religionen bilden das Gefüge einer demokratischen Gesellschaft. Doch wenn wir einen Blick auf den sogenannten ‚Islamischen Staat’ werfen, erkennen wir die Ambition dahinter, Religion auszubeuten. Der IS ist sowohl in dieser Region als auch anderen Orten sowohl im militärischen, politischen und ideologischen Sinne existent. Die militärische Auseinandersetzung führen andere, wir als Geistliche und Gelehrte stehen in der Verantwortung, einen ideologischen Kampf gegen diese Organisation zu führen. In diesem Sinne appelliere ich an alle islamischen Amts- und Würdenträger sowie die Gesellschaft, die Menschen für den wahren Islam, also den demokratischen Islam, zu sensibilisieren. Nur auf diese Weise ist es möglich, diese dunkle Ideologie zu bekämpfen.”

„Wir befürworten Charta von Medina”

Wir haben auch mit Abdurrahman Bedirxan, dem Vize-Vorsitzenden des Demokratischen Islam-Kongress, gesprochen. Seine Organisation befürworte die Medina-Charta, die vereinzelt auch auch  „Gemeindeverordnung von Medina” genannt wird, erklärt er. Dieser Bündnisvertrag wurde vom islamischen Propheten Mohammed nach seiner Ankunft in der Stadt Yathrib (später: Medina) im Jahr 622 zwischen den Auswanderern aus Mekka und seinen Helfern in Yathrib geschlossen. Verstanden wird die Charta als Etablierung einer islamischen Identität durch stufenweise Umgestaltung der überkommenen Gesellschaftsstrukturen. Aus ihr lässt sich ableiten, dass ein Rechtsstaatsmodell mit Grundrechten angestrebt wurde. Die Gewaltenteilung ist in diesem Konzept ebenso enthalten wie verfassungsrechtliche Inhalte.

„Unser Prophet hat den Islam in Medina auf eine demokratischen Grundlage gestellt. Wenn wir jedoch auf diejenigen schauen, die heute im Namen des Islam handeln, sehen wir, dass sie sowohl dem Islam als auch der Gesellschaft gegenüber feindlich gesinnt sind und ihr den schlimmsten Schaden zugefügt haben“, erklärt Bedirxan. Der Demokratische Islam-Kongress arbeite mit Hochdruck daran, das wahre Wesen des Islam mit der Idee des demokratischen Islam, so wie er vom kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan vorgeschlagen wurde, zu repräsentieren und umzusetzen. „Gleichzeitig leisten wir insbesondere in Nord- und Ostsyrien einen Widerstand gegen die dunkle Ideologie der Islamisten, damit Religion nicht zu einem Machtelement wird. Deshalb stellt für uns eine aktualisierte Form der Charta von Medina und ihre Umsetzung einen großen Schritt hin zu einer Lösung der Probleme in der gesamten Region dar. Dafür setzen wir uns ein.”