Ezidische Bevölkerung aus Efrîn: Wir haben Şengal vor Augen!

Die Ezid*innen haben bisher 74 genozidale Verfolgungswellen – Ferman – in ihrer langen Geschichte erlebt, die meisten wurden durch das osmanische Reich begangen. Nun werden die Ezid*innen zum Ziel des türkischen Staates in Efrîn.

Nach dem Angriff des türkischen Staates und seiner verbündeten Milizen sind die êzidischen Kurd*innen wieder auf der Flucht. Diesmal aus Efrîn. In Efrîn lebten 25.000 Êzid*innen in 22 Dörfern. Die Geflüchteten erklären immer wieder „Wir haben Şengal vor Augen“ und beziehen sich dabei auf den Genozid durch den von der Türkei unterstützten IS in den Şengal-Bergen ab dem 3. August 2014. Sie berichten, dass die Zurückgebliebenen zum Islam zwangskonvertiert worden seien.

Der erste Ferman gegen die êzidische Bevölkerung wurde von Zengi Atabeyi Bedreddin Lulu von Mossul 1246 begangen und der letzte wurde vom IS mit Unterstützung der neo-osmanischen AKP am 3. August 2014 begangen. Als Legitimation diente immer wieder der Bezug auf den Islam. Aufgrund der Intervention der HPG und YJA-Star entging ein Großteil der ezidischen Bevölkerung der Şengal-Region dem Genozid. Nun wurden die wenigen Ezid*innen von Efrîn zum Ziel der Invasionskräfte der türkischen Armee und Milizen, die sich zum Teil aus IS und Al-Qaida-Kämpfern rekrutieren.

Der türkische Staat und die islamistischen Milizen haben am 20. Januar Efrîn überfallen. Alle 22 ezidischen Dörfer wurden besetzt, niedergebrannt, zerstört und geplündert. Ihre ezidischen Bewohner*innen leben nun in Şehba und in Şêrawa unter schweren Lebensbedingungen.

Die Welt darf nicht schweigen"

Der ezidische Einwohner Semîr Nasir, der aus Feqîra, einem der ezidischen Dörfer von Efrîn stammt und nun im Berxwedan-Flüchtlingscamp in Şehba lebt, berichtet, dass sie ihr Zuhause, ihre Dörfer und ihr Land in Folge der Invasion durch den türkischen Staat verlassen mussten. Nasir erklärt, dass sich der Angriff des türkischen Staats gegen alle Kurd*innen richte: „Der türkische Staat und seine Banden versammeln die wenigen Zurückgebliebenen aus den Dörfern und zwingen sie, in Moscheen zu gehen und führen Zwangskonvertierungen durch. Die Welt darf demgegenüber nicht schweigen.“

Ich bin stundenlang gelaufen, um da herauszukommen“

Der 72-jährige Emer Berekatî erklärt, dass sie gezwungen waren das Dorf Feqîra aufgrund der Invasion zu verlassen und dass er das Dorf zu Fuß verlassen habe. Berekatî berichtet, dass er das Dorf nach Beginn des Bombardements verlassen habe: „Wenn nicht die Flugzeuge gewesen wären, dann hätte ich mein Dorf nicht verlassen. Die Bomben fielen sogar als wir rausgingen. Ich lief in meinem Zustand stundenlang.“

Ich habe Şengal vor Augen“

Die ezidische Frau Fidan berichtet, dass sie ihr Dorf Qestel Cindo verlassen hat, nachdem türkische Kampfflugzeuge begonnen haben es andauernd zu bombardieren. Sie erzählt, dass auch sie Efrîn zu Fuß verließ, nachdem sie eine Weile in Efrîn-Stadt gelebt hatte: „Ich verließ das Dorf, damit unsere Religion und unsere Würde nicht verloren geht. Ich habe Şengal vor Augen und ich habe eine junge Tochter. Ich musste schon alleine im Gedanken an sie unseren Boden verlassen.“

Wir haben alles zurückgelassen"

Die ezidische Frau Xatûn sagt, dass sie das Dorf Feqîra verlassen hat und nun im Dorf Babilnês in der Gemeinde Fafînê lebt. Xatûn fügt hinzu, dass sie alles zurücklassen mussten: „Wir sind Eziden, wir hatten Angst, dass das, was in Şengal passiert ist, sich in Efrîn wiederholt. Das können wir nicht akzeptieren. Jetzt sind wir hier. Wir haben alles zurückgelassen. "

Wann sind die UN gestorben?“

Der Ezide Pir Hemîd Şêx Îsa stellt klar, dass der türkische Staat und sein Präsident Erdoğan sie niemals von ihrem Pfad abbringen würden und fügte hinzu: „Wir werden uns niemals auf der Welt zerstreuen und verschwinden, so wie er es will.“ Îsa kritisierte die UN scharf: „Ich frage mich, wann sind die Vereinten Nationen gestorben? Warum stellen sie sich tot und sind vollkommen still im Angesicht dieser Tyrannei? Dieses Schweigen ist eine Schande für die ganze Welt. Alle meine Kinder leben verstreut an verschiedenen Orten. Wir verurteilen das Schweigen der UN.“

Zwangskonversionen

Der Ko-Vorsitzende der Vereinigung der Ezid*innen von Efrîn, Suat Hiso, berichtet, dass die Mehrheit der 25.000 ezidischen Einwohner*innen von Efrîn geflohen seien, dass aber einige noch in manchen Dörfern zurückgeblieben sind. Hiso berichtet von Repressalien gegen diese: „Wir haben heute zum Beispiel gerade die Information erhalten, dass in den Dörfern in Xezifa und Basûfanê die ezidische Bevölkerung zwangsweise in den Moscheen versammelt wird und sie dort zum Übertritt zum Islam gezwungen werden.“

Wir sind akut bedroht“

Suat Hiso rief die internationale Gemeinschaft auf, die ezidische Bevölkerung zu unterstützen und erklärte, dass viele Ezid*innen von der türkischen Armee und mit alliierten Banden gefangen genommen worden sind: „Unsere ezidische Bevölkerung ist nun wieder auf der Flucht. Sie wollen das, was in Şengal passiert ist, nun in Efrîn wiederholen. Wir sind verstreut auf die Dörfer in Şehba. Wir sind eine Bevölkerung unter Bedrohung. Aber trotz alledem werden wir auch bis zum letzten Moment Efrîn nicht aufgeben.“