Die andauernden Angriffe auf Nordsyrien werden in der Türkei durch die Propaganda einer massiven Pressemaschinerie legitimiert. Ein Beispiel dieser Art von Journalismus ist die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Ihlas (IHA), Beril Solmuşgil, die in die kurdische Stadt Nisêbîn (Nusaybin) reiste, um dort die Menschen zu Aussagen gegen die YPG zu bringen. Als die Menschen sich weigerten, die YPG für in ihrem Viertel eingeschlagene Granaten verantwortlich zu machen, drohte sie den Einwohnerinnen und Einwohnern vor laufenden Kameras mit einer Anzeige. Die betreffenden Personen wurden anschließend festgenommen und zwei Lehrer entlassen. Anschließend erhielt die Korrespondentin von der faschistischen MHP eine Auszeichnung für besonderen Mut.
ANF sprach mit dem Vertreter der Journalistengewerkschaft der Türkei (TGS) in Amed (Diyarbakir), Mahmut Oral, über die Kriegshetze in den Mainstream-Medien. Oral betonte, dass es einer der Grundsätze des Journalismus sei, objektiv und aufrichtig zu berichten und die Ereignisse so darzustellen, wie sie geschehen sind. Es sei ein universelles Recht, sich gegen den Krieg zu stellen und gerade für Journalisten sogar eine Pflicht. In der Türkei herrsche jedoch eine vom Militarismus und der Kriegstreiberei durchdrungene Medienlandschaft vor.
„Die Besitzer der Zeitungen dienen sich den Herrschenden an“
Die Medien müssen sich von einer kriegerischen Sprache fernhalten, erklärte Oral: „Aber hier in der Türkei wird sich bemüht, diese kriegshetzerische Sprache ausschließlich zu benutzen. Das wollen die Regierung und leider auch die Besitzer der Medieneinrichtungen. Denn das Verlegen eines Presseerzeugnisses in der Türkei funktioniert heutzutage nur, wenn man die Position der Regierung vertritt. Wenn dies nicht geschieht, ist es nicht möglich, eine Zeitung oder ein Medium auf irgendeine Weise zu betreiben. Diese Situation bringt Kriegspropagandajournalismus hervor.“
„Die Kriegsgegner ziehen sich zurück“
Oral berichtet, er habe selbst an der Grenze als Journalist gearbeitet: „Als wir dort waren, gab es sowohl Journalisten, welche die Operation gegen Nord- und Ostsyrien unterstützten als auch solche, die dagegen waren. Unter den Unterstützern gab es auch Menschen mit Zweifeln. Es gab einige, welche die Operation mit dem Argument verteidigten, die Flüchtlinge aus Syrien müssten versorgt werden. Es gab auch die, die sich vollkommen dagegen stellten. Sie sagten im Stillen, dass sie wegen des Krieges aus ökonomischen Gründen ihrer Arbeit [als Journalisten im eigentlichen Sinne] nicht nachgehen könnten. Als wir sie fragten, ob sie öffentlich auftreten würden, zögerten sie, sich offen auszudrücken, einerseits wegen der Regierung und andererseits wegen des Drucks aus der Gesellschaft.“
„Es ist nicht die Aufgabe von Journalisten, Bürger zu beschuldigen“
Schon bei dem Angriff auf Efrîn im vergangenen Jahr ließen sich Journalisten mit osmanischen Waffen in der Hand ablichten, heute bedrohen sie Menschen aus der Bevölkerung, wenn sie kein Statement im Sinne des Staates abgeben. Oral kommentierte diese Art von Journalismus mit den Worten: „Ich sage es ganz offen, wenn das Journalisten sind, dann bin ich keiner. Man muss sich in dieser Situation für den Journalismus schämen. Was in Nisêbîn geschehen ist, ist eine sehr große Schande, die sich meiner Meinung nach für lange Jahre unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt hat. Es ist nicht an Journalisten, Bürger als ‚Terrorverliebte‘ darzustellen. Es ist die Aufgabe von Journalisten, die Geschehnisse objektiv darzulegen. Wir haben jetzt auch wieder Journalisten gesehen, die mit osmanischen Säbeln und drei Halbmonden an der Grenze posierten. Das zeigt die Situation ganz offen. Da stellt sich einer hin und behauptet, er sei in Stellungen in Syrien und erklärt gleichzeitig auf einem anderen Kanal, dass er auf dieser Seite der Grenze ist. Das kommt daher, dass hier kein Interesse am und es keinen Bezug zu echtem Journalismus gibt.“