Die in einem Gefängnis in Ankara unter „Terrorverdacht“ einsitzende Journalistin Dicle Müftüoğlu ist seit Sonntag im Hungerstreik. Mit der Aktion unterstützt die 39-Jährige nicht nur einen seit vergangenem November andauernden Hungerstreik politischer Gefangener für ein Ende der Isolation von Abdullah Öcalan und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage, ließ die in Agirî geborene Kurdin über ihren Rechtsbeistand verkünden. Müftüoğlu protestiert auch gegen die Unterdrückung und völlige Entrechtung der Gesellschaft – ob nun innerhalb oder außerhalb der Gefängnismauern.
Müftüoğlu, die als Redakteurin der kurdischen Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) arbeitet und zugleich auch Ko-Vorsitzende des in Amed (tr. Diyarbakır) ansässigen Journalistenvereins Dicle Firat (DFG) ist, befindet sich seit letztem Mai wegen des Verdachts der Gründung und Leitung einer Terrororganisation sowie angeblicher Mitgliedschaft in dieser im Frauengefängnis Sincan in Untersuchungshaft.
Unabhängige Medieneinrichtungen gehen jedoch davon aus, dass die Anschuldigungen im Zusammenhang mit Müftüoğlus Tätigkeit für die freie kurdische Presse stehen – auch deshalb, weil sie im Zuge einer Säuberungswelle nur kurz vor der Parlaments- und Präsidentschaftswahl im vergangenen inhaftiert worden war. Zudem stützt sich die Staatsanwaltschaft bei ihren Vorwürfen hauptsächlich auf Aussagen von vermeintlichen Zeugen, auf die auch in anderen Prozessen gegen kurdische Medienschaffende sowie in dem als Kobanê-Verfahren bekannten Schauprozess gegen die HDP zurückgegriffen wird.
Müftüoğlu: Alle müssen ihre Stimme erheben
In einer Botschaft, die ihre Verteidigung nun öffentlich machte, schreibt Müftüoğlu zu den Hintergründen ihres Hungerstreiks: „Wir leben in der Türkei in einer Realität, in der alle Menschen, die die Wahrheit denken, sie aussprechen und niederschreiben, inhaftiert werden. Im Grunde ist es die Wahrheit selbst, die eingesperrt und abgeschottet wird. Indes geht auch der in den Gefängnissein dieses Landes ins Leben gerufene Hungerstreik gegen die Isolation weiter. Isolation, das ist das Ignorieren und Verweigern des Rechts auf Meinungsfreiheit, Wahrheit, Demokratie und Freiheit. Sie hat ihren Ursprung in der Politik, die im Imrali-Gefängnis verfolgt wird. Damit all diese Dunkelheit verschwindet, muss die Isolation durchbrochen werden. Als Journalistin, deren berufliche Tätigkeit kriminalisiert wird, und die die Folgen der Rechtlosigkeit am eigenen Leib erfährt, erhebe ich meine Stimme gegen das Schweigen angesichts dieses Unrechts. Ich rufe alle auf, ihre Stimme zu erheben, damit die Wahrheit nicht im Dunkeln bleibt.“
Hungerstreik bis zum 5. Februar
Ihren Hungerstreik will Müftüoğlu vorerst bis zum 5. Februar fortsetzen. Bis dahin werde sie nur Wasser und gelegentlich Tee zu sich nehmen und auf andere Lebensmittel verzichten. Der an einem Strafgericht in Amed anhängige Prozess gegen die Journalistin wird unterdessen am 29. Februar fortgesetzt. Wie bei den vorangegangenen Verhandlungen wird Müftüoğlu nicht persönlich in Amed anwesend sein, sondern über ein Videokonferenzsystem in den Gerichtssaal eingebunden werden – aus Sicherheitsgründen, wie die Anklagebehörde in einem entsprechenden Antrag geltend gemacht hatte.