Türkei: Bilanz zur Repression gegen Journalist*innen
Die Repression gegen Journalist*innen in der Türkei wurde auch im April mit aller Härte fortgesetzt.
Die Repression gegen Journalist*innen in der Türkei wurde auch im April mit aller Härte fortgesetzt.
Der willkürliche Druck der türkischen AKP-Regierung unter Federführung von Staatspräsident Erdoğan auf Journalist*innen und Presseorgane setzte sich auch im April fort. Mindestens 20 Medienschaffende sind festgenommen worden, von denen elf verhaftet wurden. 22 Journalist*innen sind zu einer Gesamtstrafe von 105 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Wir veröffentlichen den aktuellen Bericht der Zeitung Karınca über die Repression gegen Journalist*innen im April 2018.
2. April: Im Prozess gegen den ehemaligen Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet wegen Artikeln zu den vom türkischen Geheimdienst MIT organisierten Waffenlieferungen an syrische Islamistengruppen erlässt ein türkisches Gericht Haftbefehl gegen Can Dündar und fordert das Justizministerium auf, eine entsprechende „Red Notice“ bei Interpol vermerken zu lassen.
3. April: Der Journalist und T24-Kolumnist Hasan Cemal wird im Wiederaufnahmeverfahren wegen seiner Artikelserie über den Rückzug der kurdischen Guerilla aus Nordkurdistan wegen „Organisationspropaganda” zu einer Haftsstrafe von drei Monaten und 22 Tagen verurteilt.
- Nevriye Kurt, Kolumnistin des Magazins RED, wird in Ankara im Anschluss an eine polizeiliche Durchsuchung ihrer Wohnung in Gewahrsam genommen.
- Im Verfahren gegen den Journalisten und Karınca-Redakteur Çağdaş Kaplan fordert der Staatsanwalt wegen „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ bis zu 15 Jahre Gefängnis.
- Ali Ahmet Böken, ehemaliger Leiter des Nachrichtendienstes des türkischen Staatsfernsehens TRT, wird wegen „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren und neun Monaten verurteilt.
4. April: In der nordkurdischen Stadt Reşqelas (Iğdır) wird die Wohnung des Journalisten Berzan Güneş von der Polizei gestürmt.
- Nach polizeilichen Durchsuchungen der Wohnungen von Beschäftigten der unter türkische Zwangsverwaltung gestellten Zeitung Özgürlükçü Demokrasi werden die Journalist*innen Mehmet Ali Çelebi, Reyhan Hacıoğlu, Hicran Ürün, Pınar Tarlak, Ramazan Sola, Nedim Demirkıran und Mehmet Beyazit festgenommen.
5. April: Yeliz Koray, Redaktionsleiterin der Zeitung Kocaeli Köz, wird zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt, weil sie am ersten Jahrestag des sogenannten Putschversuches in der Türkei einen kritischen Artikel verfasst hatte. Da Koray nicht vorbestraft ist, wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
- Im Verfahren gegen Şahin Alpay, Ali Bulaç und Mümtazer Türköne, Mitarbeiter der per Notstandsdekret geschlossenen Zeitung Zaman, fordert die Staatsanwaltschaft für alle drei Journalisten erschwerte, lebenslängliche Freiheitsstrafe.
- Gegen Ahmet Kanbal, Korrespondent der Nachrichtenagentur MA, eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Beiträgen in den sozialen Medien und fordert bis zu neun Jahre Haft. Der Beitrag -ein Bericht vom Journalisten Kanbal selbst- handelt von einem Interview mit Şener Levent, Chefredakteur der Zeitung Afrika, die ihren Sitz im De-facto-Regime der Türkischen Republik Nordzypern hat. Levent war wegen kritischen Beiträgen zur Besatzung des nordsyrischen Efrîns ins Visier des türkischen Staatspräsidenten Erdogan geraten und zur Zielscheibe erklärt worden.
6. April: Gegen den Eigner der oppositionellen Zeitung Özgürlükçü Demokrasi (Freiheitliche Demokratie), Ihsan Yaşar und den verantwortlichen Redaktionsleiter İshak Yasul, wird Haftbefehl erlassen.
7. April: Der in Wan festgenommene Journalist Mehmet Dursun wird wegen „Propaganda für eine verbotene Organisation“ verhaftet.
8. April: Ömer Ödemiş, Repräsentant der Zeitung ABC und des TV-Senders TELE 1 im Mittleren Osten, wird in der Stadt Hatay festgenommen.
10. April: Mehmet Ali Çelebi, Reyhan Hacıoğlu, Hicran Urun und Pınar Tarlak, Beschäftigte der unter staatliche Zwangsverwaltung gestellten Zeitung Özgürlükçü Demokrasi, werden verhaftet.
- Die kurdischsprachige Tageszeitung Welat hatte ihre Printausgabe eingestellt, da aufgrund der Drohungen des AKP-Regimes keine Druckerei mehr bereit war, den Druckauftrag anzunehmen. Am 10. April ordnet das Gericht die Beschlagnahme von drei der letzten Printausgaben an.
11. April: Ein türkisches Gericht bestätigt die wegen einer Kolumne verhängte Geldstrafe von 3.000 TL gegen die ehemalige Ko-Chefredakteurin der verbotenen Zeitung Özgür Gündem, Eren Keskin.
- Im Verfahren gegen die Demokratik Ulus-Chefredakteurin Nuray Candan, den Eigner Kemal Sancılı sowie den ehemaligen Eigner Ziya Çiçekçi, verhängt das Gericht eine Gesamtstrafe von elf Jahren und drei Monaten Gefängnis.
- Gegen die wegen kritischer Beiträge hinsichtlich der türkischen Besatzung von Efrîn in den sozialen Medien kurzzeitig in Gewahrsam genommene T24-Kolumnistin Nurcan Baysal wird ein Verfahren eröffnet. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.
- Auf Betreiben von Serhat Albayrak, Bruder des türkischen Ministers für Energie und natürliche Ressourcen Berat Albayrak, wird wegen Berichten zu den ‚Paradise Papers‘ ein Verfahren gegen die Zeitung Evrensel eröffnet.
12. April: Barış Polat, Lieferant der Zeitung Özgürlükçü Demokrasi in der Stadt Dîlok (Antep), wird festgenommen.
13. April: Die ETHA-Journalist*innen Semiha Şahin, Pınar Gayıp und Adil Demirci werden bei Razzien in Istanbul festgenommen.
- Mehrere Personen werden beim Verteilen von 1. Mai-Flugblättern im Istanbuler Stadtteil Kadiköy festgenommen. Unter ihnen befindet sich auch ETHA-Korrespondent Ömer Akın.
14. April: Gegen Ferhat Parlak, Eigner der per Notstandsdekret verbotenen Zeitung Silvan Mücadele Gazetesi (Widerstandszeitung Silvan), der in Farqîn zuvor festgenommen worden war, wird Haftbefehl erlassen.
15. April: Gegen die Evrensel-Korrespondentin Cansu Pişkin werden Ermittlungen wegen ihrer Berichterstattung zu den auf Bestreben Erdoğans verhafteten Studierenden der Boğaziçi-Universität eingeleitet.
17. April: Der Kölner Sozialwissenschaftler und ETHA-Korrespondent Adil Demirci wird wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet.
19. April: Die ETHA-Chefredakteurin Semiha Şahin und ETHA-Korrespondentin Pınar Gayıp werden ebenfalls wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet.
- Gegen den bereits aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit verhafteten Pressemitarbeiter Idris Yılmaz wird ein weiteres Verfahren eröffnet.
24. April: Der ehemalige Regionalleiter der geschlossenen Zeitung Zaman in Antalya, Tuncer Çetinkaya, wird vorzeitig aus der Haft entlassen. Çetinkaya war zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.
25. April: Die Staatsanwaltschaft eröffnet gegen den 1HaberVar-Korrespondenten Fuat Yaşar aufgrund von Beiträgen in den sozialen Medien ein Verfahren wegen des Verdachts auf Organisationspropaganda.
- İsmail Küçükkaya, ehemaliger Nachrichtenmoderator des Senders Fox TV, wird zu einem Jahr, vier Monaten und 20 Tagen Bewährungsstrafe verurteilt.
- Im Cumhuriyet-Verfahren spricht die türkische Justiz ihr Urteil: 15 von insgesamt 20 Angeklagten werden zu einer Gesamtstrafe von 81 Jahren und 45 Tagen Gefängnis verurteilt. Drei Journalist*innen werden freigesprochen, Akın Atalay wird frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Ahmet Kemal Aydoğdu bleibt weiterhin in Haft.
26. April: Der Journalist und Autor Ahmet Altan, der im Februar zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, wird im Verfahren wegen des Verdachts der „Beleidigung des Staatsoberhaupts“ freigesprochen.
- Pelin Daş, Korrespondentin und Redakteurin der Zeitung Hayır, wird in Gebze während der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit in Gewahrsam genommen. Daş hatte über eine Aktion von Mitarbeitern der Ekol-Lojistik berichtet, denen zuvor aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft DGD-SEN die Kündigung ihres Arbeitsverhältnis ausgesprochen wurde.
27. April: Im sogenannten KCK-Verfahren weigert sich das Gericht, das zuvor verhängte Ausreiseverbot der Journalist*innen aufzuheben.
- Das Inventar der in der Türkei staatlich geschlossenen kurdischen Medien DİHA, JINHA, Azadiya Welat und Azadî TV wird durch die staatliche Treuhandanstalt TMSF zum Verkauf angeboten.
- In Dîlok (Antep) wird Mahmut Özkılıç, Eigner der Zeitung Ileri, kurz nach Verlassen seiner Wohnung Opfer eines bewaffneten Anschlags durch Unbekannte.
28. April: In Istanbul werden Melike Ceyhan und Servet Karaduman, Praktikant*innen der kurdischen Nachrichtenagentur MA, nach der polizeilichen Stürmung einer Volksversammlung in den Räumlichkeiten des HDP-Kreisverbandes von Güngören festgenommen.
30. April: Mehmet Sıddık Damar, ehemaliger Korrespondent der in der Türkei per Notstandsdekret verbotenen Nachrichtenagentur DIHA, wird in Istanbul festgenommen, nachdem ein gegen ihn verhängtes Urteil bestätigt wurde.