Die 16. Strafkammer am türkischen Kassationshof hat den Freispruch für die niederländische Journalistin Frederike Geerdink für alle beteiligten Verfahrensparteien endgültig bestätigt. Das berichtete am Mittwoch das englischsprachige Nachrichtenportal MedyaNews. „Propaganda für eine Terrororganisation“ lautete der von einer Staatsanwaltschaft in Amed (tr. Diyarbakir) im Jahr 2014 erhobene Vorwurf gegen Geerdink. Die Anklage basierte unter anderem auf dem Vorwurf, PKK-freundliche Botschaften über Twitter und andere digitale Netzwerke sowie Fotos von Anhänger:innen der kurdischen Arbeiterpartei verbreitet zu haben.
Außerdem hatte Geerdink den Ko-Vorsitzenden des KCK-Exekutivrats, Cemil Bayık, in den Medya-Verteidigungsgebieten interviewt und ihm die Hand geschüttelt. Ein Foto davon war zusammen mit dem Gespräch veröffentlicht worden. Wenige Wochen vor Anklageerhebung war die Journalistin dann bei einer Razzia der Antiterrorpolizei in ihrer Wohnung in Amed festgenommen und zum Verhör abgeführt worden. Die Anklage forderte bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Im April 2015 nahm das Verfahren gegen Geerdink dann ein überraschendes Ende. Der Staatsanwalt erklärte, anders als sein Kollege, der die Anklage vorbereitet hatte, in den Akten keine Belege für angebliche „Terrorpropaganda“ zu finden, und plädierte auf Freispruch. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung legte die Generalstaatsanwalt Diyarbakir Revision ein.
Als einzige Auslandskorrespondentin in Amed
Frederike Geerdink arbeitete seit 2006 als freie Journalistin in der Türkei. Sie hat sich insbesondere auf die kurdische Frage und kurdische Frauenbewegung spezialisiert und lebte als einzige ausländische Korrespondentin in Amed, während alle anderen Kolleg:innen in der Regel von Istanbul oder Ankara aus berichten. Das Verfahren gegen sie hatte auch deshalb internationale Proteste ausgelöst, weil der türkische „Antiterrorparagraf“ erstmals gegen eine Auslandskorrespondentin angewandt worden war. Im September 2015 wurde Geerdink in Colemêrg (Hakkari) festgenommen und aus der Türkei ausgewiesen. Zudem belegten die türkischen Behörden sie mit einem Einreiseverbot. Zu der Zeit recherchierte die Journalistin unter anderem zum Massaker von Roboskî. Ende 2011 waren in dem Dorf bei Qilaban (tr. Uludere) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) 34 Menschen getötet worden, als die türkische Luftwaffe eine Karawane von überwiegend minderjährigen Grenzhändlern bombardierte.
Verfassungsbeschwerde gegen Einreiseverbot
Geerdinks Klage gegen die Einreisesperre ist unterdessen beim türkischen Verfassungsgericht weiter anhängig. „Die Ausweisung erfolgte damals unmittelbar nach ihrer Festnahme in Hakkari wegen dem Vorwurf der ‚Mitgliedschaft in einer Terrororganisation‘. Obwohl dieses Verfahren längst eingestellt worden ist, wird das Einreiseverbot weiter aufrechterhalten“, erklärte Geerdinks Verteidiger Ramazan Demir gegenüber ANF. Bisher habe der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde nicht auf seine Tagesordnung gesetzt. „Da es sich um ein politisches Verfahren handelt, kann schlecht eingeschätzt werden, wann sich das Gericht dem Fall annimmt. Möglicherweise wird es noch eine ganze Weile dauern“, so Demir.