Journalisten: Merkwürdige Vorgänge bei der Istanbuler Justiz
Nach der Verhaftung der drei Journalisten Aydın Keser, Ferhat Çelik und Murat Ağırel machen ihre Kolleg*innen auf merkwürdige Vorgänge in der Istanbuler Justiz aufmerksam.
Nach der Verhaftung der drei Journalisten Aydın Keser, Ferhat Çelik und Murat Ağırel machen ihre Kolleg*innen auf merkwürdige Vorgänge in der Istanbuler Justiz aufmerksam.
Auf einer Pressekonferenz im Menschenrechtsverein IHD in Istanbul ist im Zusammenhang mit der Verhaftung der Journalisten Aydın Keser, Ferhat Çelik und Murat Ağırel auf merkwürdige Vorgänge in der türkischen Justiz aufmerksam gemacht worden.
Die Journalisten Aydın Keser und Ferhat Çelik von der Tageszeitung Yeni Yaşam und der Yeni-Çağ-Kolumnist Murat Ağırel sind am Sonntagabend verhaftet worden. Ihnen wird die Berichterstattung zum Tod von zwei MIT-Angehörigen in Libyen vorgeworfen. Sie waren nach einer Anhörung am 6. Mai zunächst mit Meldeauflagen freigelassen und aufgrund des Widerspruchs der Staatsanwaltschaft am Sonntagmorgen erneut festgenommen worden. Am selben Tag erging Haftbefehl und die Journalisten wurden in das Hochsicherheitsgefängnis Silivri überstellt.
An der Pressekonferenz im IHD-Gebäude nahmen neben Mitarbeiter*innen der Zeitung Yeni Yaşam Fatih Polat von der Zeitung Evrensel, Gökhan Durmuş als Vorsitzender der Journalistengewerkschaft TGS sowie die HDP-Abgeordneten Züleyha Gülüm und Ahmet Şık teil.
Zana Bilir Kaya von der Zeitung Yeni Yaşam verlas eine gemeinsame Erklärung, in der darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei dem Artikel zum Tod von zwei MIT-Angehörigen in Libyen nicht um Geheiminformationen gehandelt habe. Bereits vor Erscheinen des Artikels sei im türkischen Parlament darüber gesprochen worden, mehrere Medienorgane hätten darüber berichtet. „Es handelte sich um eine Information, die längst öffentlich bekannt war. Daher kann auch nicht die Rede davon sein, dass ein Staatsgeheimnis verraten wurde“, sagte Kaya. In dem Artikel werde ohnehin nur von Soldaten gesprochen. Dass es sich um MIT-Angehörige handelte, geht aus dem Zeitungsbericht nicht hervor.
Haftbefehle erst vom dritten Richter erlassen
Das stellte auch das Gericht in seinem ersten Beschluss zur Freilassung der Journalisten fest: „In dem Artikel ist keine offene Information über MIT-Angehörige enthalten“, heißt es darin. Trotzdem wurden die Journalisten gestern aus diesem Grund verhaftet.
Kaya erklärte, dass es seit drei Tagen zu merkwürdigen Vorgängen im Istanbuler Justizpalast in Çağlayan kommt: „Wir wissen, dass der erste Richter, der die Freilassung angeordnet hatte, dazu gedrängt wurde, den Beschluss zu ändern. Dann wurde ein zweiter Richter gesucht und gefunden, der diesen Auftrag ebenfalls ablehnte. Erst mit dem dritten gefundenen Richter wurden die Haftbefehle erlassen.“
Kaya wies darauf hin, dass in der ersten Märzwoche acht Journalist*innen in der Türkei verhaftet worden sind: „Wir wissen, dass damit die freien Medien zum Schweigen gebracht werden sollen. Es soll verhindert werden, dass die Wahrheit bekannt wird. Es ist jedoch bekannt, dass wir in unserer langjährigen Geschichte unter keinen Umständen damit aufgehört haben, über die Wahrheit zu berichten. Wir tragen die Fackel von Musa Anter weiter und werden sie niemals fallen lassen. Als Zeitung werden wir unseren Weg unbeirrt fortsetzen.“
Kaya rief Medienverbände, Gewerkschaften und Journalist*innen zur Solidarität auf und forderte die sofortige Freilassung seiner verhafteten Kollegen: „Wir erklären ein weiteres Mal: Journalismus ist kein Verbrechen!“