Frederike Geerdink beschreibt ihre Ausweisung aus Kurdistan

Frederike Geerdink kann nach Behördenangaben als Touristin in die Kurdistan-Region Irak reisen, aber nicht als Journalistin. Im Onlineportal Medya News beschreibt sie ihre Abschiebung aus Hewlêr.

Die niederländische Journalistin Frederike Geerdink ist von den Behörden der Kurdistan-Region Irak (KRI) an der Einreise ins Autonomiegebiet Nordostsyrien gehindert und als „Persona non grata“ aus Hewlêr abgeschoben worden. In einem Beitrag für das Onlineportal Medya News beschreibt sie ihre Ausweisung und erklärt, dass sie Identität als Journalistin nicht ablegen kann. Wir dokumentieren den Beitrag in deutscher Übersetzung:

Ich werde mit meinem Stift nach Kurdistan zurückkehren, oder gar nicht

Inzwischen haben Sie alle gehört, dass ich diese Woche aus der Region Kurdistan im Irak abgeschoben wurde. Vor sieben Jahren, im September 2015, wurde ich aus der Türkei abgeschoben. Das ist alles ein bisschen viel und ich werde Zeit brauchen, um mit dieser neuen Situation umzugehen: Ich kann noch nicht alles vollständig reflektieren, aber eine Ähnlichkeit zwischen damals und heute geht mir im Kopf herum: wie (zunehmend) autoritäre Regierungen deine Identität definieren wollen. Die Türkei nannte mich eine Propagandistin. Worauf versucht mich die Region Kurdistan zu reduzieren? Offenbar auf eine Touristin.

Nachdem ich am Grenzübergang Fishkhabur zwischen der Region Kurdistan im Irak und Nordostsyrien gewaltsam zum Flughafen von Erbil [ku. Hewlêr] gebracht wurde, war klar, dass ich gegen meinen Willen in ein Flugzeug nach Amsterdam gesetzt werden würde. Ich wusste es von dem Moment an, als ich in allerletzter Minute an der Grenze angehalten wurde, aber erst als mein Gepäck am Flughafen kontrolliert wurde und ich mich in einem Polizeibüro befand, hielten sie den Zeitpunkt für gekommen, es deutlich zu machen.

Wütend

Sie haben mir nie gesagt, warum. Niemand war befugt, ein Gespräch zu führen, und der Mann, der mir das Problem erklären sollte, fragte mich sogar, was ich für das Problem hielt. Ich habe natürlich geantwortet, dass das Problem darin besteht, dass die Türkei Kurdistan besetzt hält und bombardiert, aber das war nicht die Antwort, die sie hören wollten. Ich wurde wütend, sagte ihnen, dass sie Teil eines Systems seien, das es der Türkei erlaube, in der so genannten Autonomieregion das Sagen zu haben, fluchte auf Niederländisch und wurde dann angewiesen, höflich zu bleiben. Sie sind also eine Gruppe von Männern in Uniform, die den Befehl befolgen, mich abzuschieben, aber wenn ich wütend werde, bin ich diejenige, die sich besser benehmen muss. Erstaunlich, wie sie es schaffen, die Rollen umzudrehen.

Erst als der niederländische Generalkonsul in Erbil zum Flughafen kam, um mir zu helfen (wofür ich ihm sehr dankbar bin, auch wenn es natürlich nicht in seiner Macht stand, die Abschiebung zu verhindern), wurde mir klar, warum ich rausgeschmissen wurde. Ich bin eine „Persona non grata". Er hatte mit den Behörden telefoniert, und einer von ihnen hatte ihm gesagt, dass ich als Touristin nach Kurdistan kommen könne, aber nicht als Journalistin.

Wandern

Als Touristin! Selbst bei den sehr, sehr seltenen Gelegenheiten, bei denen ich Tourismus betreibe, kann ich meine Identität als Journalistin nicht abschalten. Stellen Sie sich vor, Sie wandern in den Bergen und kommen an einem leeren Dorf vorbei, und ein Hirte erzählt Ihnen, dass es wegen eines türkischen Bombenangriffs geräumt wurde, was soll ich tun? Weitergehen und so tun, als hätte ich nichts gehört? Es nicht erwähnen? Schweigen?

Was die Region Kurdistan im Irak mag, sind Menschen, die nach Kurdistan kommen, um zu wandern und die atemberaubende Natur zu genießen (schauen Sie sich nicht den Plastikmüll an, der überall herumliegt). Die Region freut sich, wenn diese Menschen Fotos machen und sie in den sozialen Medien mit dem Hashtag #BeautifulKurdistan veröffentlichen. Sie wollen das Image eines freundlichen, demokratischen, rauen Wanderparadieses aufbauen, und sie würden sich freuen, wenn ich ihnen dabei helfe, dieses Image aufzubauen. Aber nein.

Das mag ganz anders aussehen als die Situation in der Türkei vor sieben Jahren, als ich wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation" angeklagt (und freigesprochen) wurde. Aber auch in diesem Fall wollten die Behörden Entscheidungen über meine Identität treffen. Ich habe meine persönliche Verteidigung um dieses Thema herum aufgebaut. Sie können mich darstellen, wie sie wollen, sie können mir jedes Etikett anheften, das sie wollen, aber das wird nichts daran ändern, was ich bin, nämlich eine Journalistin. Ich werde nicht zulassen, dass sie mich für die Geschichte benutzen, die sie über mich verbreiten wollen.

Das war auch in dieser Woche der Fall. Kurdistan ist atemberaubend schön, und ich werde darüber schreiben, wenn ich das Bedürfnis verspüre, dies nach journalistischen Kriterien zu tun. Ich komme lieber nicht, als dass ich in der Form komme, in die sie mich zwingen wollen.

Spiegel

Diese Manipulationen der Machthaber sind ein Spiegelbild ihrer allgemeinen Politik. In der Türkei hat der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern nie erlaubt, ihre Identität voll auszuleben, sondern hat die Menschen in die sunnitische türkische Form gezwungen und tut dies auch weiterhin. Menschen, die fordern, ihr Leben so zu leben, wie sie wirklich sind, werden unterdrückt. In der Region Kurdistan wächst die Bedeutung eines positiven Images in dem Maße, wie ihre Macht unter wirtschaftlichem, politischem und militärischem Druck schwächer wird.
Ich kann als Touristin in die Region Kurdistan zurückkehren. Dass ich das tue, ist genauso wahrscheinlich wie meine Rückkehr in die Türkei als Propagandistin für eines von Erdoğans Medien. Kein autoritärer Führer kann mir sagen, wer ich bin. Ich werde mit meinem Stift zurückkehren oder gar nicht.