Mehmet Kartal ist nach dreißig Jahren Haft in der Türkei freigelassen worden. Der Kurde war 1993 in der Küstenprovinz Izmir festgenommen und noch im selben Jahr vor einem Staatssicherheitsgericht (DGM) wegen „Zerstörung der staatlichen Einheit der Türkei“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Damals war er zwanzig Jahre alt.
Nach Aufenthalten in verschiedenen Haftanstalten des Landes befand sich Mehmet Kartal zuletzt im Hochsicherheitsgefängnis Ödemiş im Osten von Izmir, wo er heute von Angehörigen, Bekannten, Mitgliedern der Gefangenenhilfsorganisation EGE-TUHAYDER und den Vorständen der Demokratischen Partei der Völker (HPD) in den Bezirken Buca und Torbalı mit Freudentrillern begrüßt wurde.
Freude und Trauer liegen nah beieinander
„Ich bin zwar frei, doch Freude und Trauer liegen nah beieinander, da viele Freunde nach wie vor ihrer Freiheit beraubt werden“, sagte Kartal vor dem Gefängnis. Der 50-Jährige sprach von einer Beharrlichkeit der Sehnsucht nach Freiheit, die den Widerstand hinter den Gefängnismauern am Leben erhalte. „Wir kamen mit erhobenem Haupt und treten ebenso unseren weiteren Kampf an. Ich bin stolz, Teil dieses Widerstands zu sein“, erklärte Kartal und dankte allen, die zu seiner Begrüßung erschienen waren. „Dieser Empfang gilt nicht meiner Person. Er ist das Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Widerstands.“
Gesundheitlich stark eingeschränkt
Mehmet Kartal leidet nach drei Jahrzehnten im türkischen Knast unter gesundheitlichen Beschwerden. Er hat mit den chronischen Folgen nicht oder nicht angemessen behandelter Erkrankungen zu kämpfen, darunter eine Kehlkopfentzündung, eine Hepatitis-B-Infektion und der Refluxkrankheit. In der nächsten Zeit will er sich im Kreise seiner Familie in Gaziemir/Izmir erholen.
Hunderte politische Gefangene werden nicht entlassen
In den letzten Monaten sind viele Gefangene freigelassen worden, die 1993 vor den mittlerweile abgeschafften Staatssicherheitsgerichten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurden. Ungefähr 200 politische Gefangene werden jedoch auch nach Absitzen ihrer regulären Strafdauer nicht entlassen. Über die Entlassung entscheidet kein Gericht, sondern ein Ausschuss der jeweiligen Vollzugsanstalt nach eigenem Ermessen. Ohne die Zustimmung dieses Ausschusses kann die Haftentlassung immer wieder um drei oder sechs Monate verschoben werden. Eine der gängigen Fragen, die der Ausschuss für seine Sozialprognose an die Betroffenen richtet, lautet: „Ist die PKK Ihrer Meinung nach eine Terrororganisation?“