Der kurdische Gefangene Kemal Çelik ist nach dreißig Jahren Haft in türkischen Gefängnissen freigelassen worden. Der 57-Jährige war aufgrund schwerer gesundheitlicher Probleme am Freitag aus der Haftanstalt Şakran in der Provinz Izmir ins Krankenhaus eingeliefert und operiert worden. Gestern war sein regulärer Entlassungstag aus der Haft, heute konnte er das Krankenhaus verlassen und von seiner Familie in Empfang genommen werden. Auch Freund:innen, Vorstandsmitglieder der HDP Izmir und Mitglieder der Gefangenenhilfsorganisation TUHAYDER in der Ägäis kamen vor das Krankenhaus, um ihn zu begrüßen.
Çelik war bei seiner Verhaftung 27 Jahre alt und ist im Gefängnis krank geworden. In den letzten dreißig Jahren musste er mehrfach operiert werden. Trotzdem habe er seine Hoffnung nie aufgegeben, sagte er bei der Begrüßung vor dem Krankenhaus: „Aus dem Gefängnis zu kommen, ist allein für sich kein Erfolg. Ich bin jetzt nicht mehr mit meinen Freunden zusammen, und das ist traurig für mich. Ich hoffe allerdings, dass auch sie frei kommen. Die Gefühle im Gefängnis zu beschreiben, ist schwer. Wir haben sehr harte Zeiten erlebt, aber alles miteinander geteilt. Wir haben uns nicht gebeugt und ich komme mit Würde aus dem Gefängnis. Das ist für uns ein Erfolg. Auch die Freunde, die ich im Gefängnis zurückgelassen habe, werden mit aufrechtem Kopf herauskommen. Ich hatte immer Hoffnung und es waren meine Überzeugungen, die mich diese dreißig Jahre haben überstehen lassen. Einmal war ich hundert Tage im Hungerstreik, das würde ich jetzt nicht mehr schaffen. Menschen sind durch ihren Willen stark, und wir haben an unseren Willen geglaubt.“
Nach der Begrüßung machte sich Kemal Çelik mit seinen Angehörigen auf den Weg in seine Heimat Sêrt (tr. Siirt).
Hunderte politische Gefangene werden nicht entlassen
In den letzten Monaten sind in der Türkei viele Gefangene freigelassen worden, die 1993 vor den inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Ungefähr 200 politische Gefangene werden jedoch auch nach Absitzen ihrer regulären Strafdauer nicht entlassen. Über die Entlassung entscheidet kein Gericht, sondern ein Ausschuss der Vollzugsanstalt nach eigenem Ermessen. Ohne die Zustimmung dieses Ausschusses kann die Haftentlassung immer wieder mit willkürlichen Begründungen um drei oder sechs Monate verschoben werden.