Necla Mizgîn Argış: „Die Gefangenen sind Teil des politischen Kampfes“

Politische Gefangene in der Türkei leisten seit Jahren mit den ihn zur Verfügung stehenden Mitteln Widerstand, sagt die Istanbuler Rechtsanwältin Necla Mizgîn Argış. Nach vielen Hungerstreiks machen sie mit einem Kommunikationsboykott auf sich aufmerksam.

Kommunikationsboykott politischer Gefangener

Kurdische politische Gefangene in der Türkei protestieren seit dem 4. April mit einem Kommunikationsboykott gegen die Isolation von Abdullah Öcalan. Als Beitrag zu der internationalen Kampagne für die Freilassung des PKK-Begründers und eine politische Lösung der sogenannten kurdischen Frage waren die Gefangenen zunächst in einen Hungerstreik getreten, seit April verweigern sie die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen sowie Anrufe und Besuche von Familienmitgliedern.

Die Istanbuler Rechtsanwältin Necla Mizgîn Argış von der Vereinigung „Jurist:innen für Freiheit“ (ÖHD) erklärte gegenüber ANF, dass die Isolation politischer Gefangener bereits seit dem Militärputsch von 1980 im Mittelpunkt der Kritik an den Menschenrechtsverletzungen des türkischen Strafrechtssystems steht: „Um die gesellschaftliche Opposition zu unterdrücken und zu kontrollieren, hat das diktatorische Regime auf strenge Isolationsmaßnahmen zurückgegriffen, insbesondere gegen die kurdische Gemeinschaft und andere widerständige Gruppen. Diese Politik erstreckt sich auch auf die Gefangenen auf der Insel Imrali. Abdullah Öcalan, Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş und Hamili Yıldırım werden vollständig isoliert und es gibt schon lange keine Nachricht mehr von ihnen.“

Teil des Kampfes für ein freies Leben

Die Gefangenen in türkischen Haftanstalten leisten seit vielen Jahren mit den ihn zur Verfügung stehenden Mitteln Widerstand, so die Rechtsanwältin: „Nach Hungerstreiks in den Jahren 2016 und 2019 begannen die politischen Gefangenen am 27. November 2023 einen unbefristeten, wechselnden Hungerstreik gegen die Isolation. Leider wurde festgestellt, dass die Gesellschaft nicht ausreichend darauf reagierte. Daraufhin versuchten die Gefangenen, durch den Verzicht auf Familienbesuche und Telefonanrufe auf die verschärfte Isolation aufmerksam zu machen, und sie setzen diese Aktion weiterhin fort. Sie betrachten diese Form des Widerstand nicht nur als Reaktion auf unmenschliche Bedingungen, sondern auch als Teil des Kampfes um die Wahrheit. Für sie sind die Gefängnisse Orte ideeller Entwicklungen, in denen die vom kapitalistischen System geschaffene Persönlichkeit abgelehnt und das freie Individuum aufgebaut wird. Daher nimmt der Kampf gegen die Isolation einen wichtigen Platz für den Aufbau eines neuen und freien Lebens ein. Die Gefangenen betonen, dass alle Teile der Gesellschaft an diesem Kampf teilhaben sollten.“

Wie Necla Mizgîn Argış weiter mitteilte, wird der Kommunikationsboykott der Gefangenen mit Disziplinarstrafen geahndet: „Es wird beispielsweise berichtet, dass Gefangene, die ihr Telefonrecht nicht wahrnehmen, mit dem Entzug von Kommunikationsmitteln bestraft werden. Gefangene, die keinen Besuch wollen, werden mit einem Besuchsverbot belegt. Außerdem werden politische Gefangene gezwungen, vor Gericht zu erscheinen. Gegen sie werden Disziplinarstrafen verhängt.“

Foto: Pirha