Istanbuler Polizei löst Kundgebung für Gefangene auf

Die Istanbuler Polizei hat erneut eine Kundgebung von Angehörigen kranker politischer Gefangener aufgelöst, mindestens 15 Personen wurden gewaltsam festgenommen. Die Mutter eines Inhaftierten wurde bis zur Bewusstlosigkeit auf dem Boden fixiert.

In der westtürkischen Metropole Istanbul ist eine Kundgebung von Angehörigen kranker politischer Gefangener von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Mehr als ein Dutzend Personen wurden festgenommen und an einen bislang unbekannten Ort verschleppt, darunter auch zwei HDP-Politikerinnen. Medienschaffende wurden von den Beamten ebenfalls drangsaliert, um eine kritische Berichterstattung zu unterbinden.

Zu der Kundgebung vor dem Sitz des Kreisverbands der HDP im Bezirk Şirinevler hatte die Angehörigeninitiative aufgerufen, die seit mehr als fünf Monaten jeden Donnerstag vor dem Istanbuler Justizpalast zusammenkommt, um mit einer „Gerechtigkeitswache“ die Freilassung schwer Erkrankter und wegen fehlendem Reuebekenntnis trotz Vollendung ihrer Strafen weiterhin Inhaftierter einzufordern. Bei den Beteiligten handelt es sich überwiegend um Mütter, die auf die lebensgefährlichen Zustände in den Gefängnissen in der Türkei aufmerksam machen und um das Leben ihrer inhaftierten Kinder kämpfen. Ihre Aktionen werden regelmäßig von der Polizei aufgelöst.

An der heutigen Kundgebung nahmen neben Mitgliedern der Initiative auch zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten diverser NGOs teil, hauptsächlich solche aus der Gefangenensolidarität. Die Polizei war bereits früh mit einem Großaufgebot vor Ort und hatte Absperrungen rund um das HDP-Gebäude errichtet, um die Kundgebung zu unterbinden. Zur Begründung wurde ein vom örtlichen Landratsamt erteiltes Demonstrationsverbot herangezogen.

Weil die Protestierenden der Aufforderung, die Versammlung aufzulösen, nicht nachkamen, stürzte sich die Polizei in die Menge. Cemile Karakaş, deren Sohn Xemgin Karakaş bei seiner Verlegung aus Silivri in ein Gefängnis in Afyon im vergangenen Februar schwer misshandelt wurde, wurde auf den Boden gestoßen. Ein wegen sexualisierter Gewalt gegen Demonstrantinnen einschlägig bekannter Beamter fixierte Karakaş und drückte ihren Hals mit dem Knie gegen den Asphalt. Sie bekam keine Luft, was sie auch geäußert hat, der Polizist ignorierte sie jedoch und ließ erst von der Frau ab, als sie bewusstlos war. Der Aktivistin Fince Akman, Mutter des im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 3 inhaftierten Yakup Akman, wurden bei der Festnahme insgesamt neun Einweghandfesseln angelegt.

Mindestens fünfzehn Festnahmen

Nach bisherigem Stand sind mindestens fünfzehn Teilnehmende der Kundgebung festgenommen worden. Unter ihnen befinden sich die Gefangenenangehörigen Fince Akman, Cemile Çiftçi, Cemile Karakaş, Kumri Akgül und Zeynep Calıhan; die Ko-Vorsitzenden der HDP-Verbände in Küçükçekmece, Bahçelievler und Bakırköy, Gülsüm Öztürk, Fatma Çatak und Sadık Yılmaz; der Istanbuler HDK-Sprecher Erkan Tepeli; die Vereinsvorsitzende von ANYAKAY-DER, Evin Genç und die HDP-Jugendratsaktivistin Mizgin Taşdemir.