Griechenland: Hilfsorganisationen fordern Ende von Lagersystem

Zahlreiche Hilfsorganisationen fordern ein Ende des sogenannten Hotspotsystems auf den griechischen Inseln. „Genug ist Genug!“ heißt es in einem gemeinsamen Appell, in dem eine Unterbringung in „menschenwürdigen Unterkünften“ verlangt wird.

Zahlreiche Hilfsorganisationen fordern in einem gemeinsamen Appell einen sofortigen politischen Kurswechsel im Umgang mit Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln und das Ende des dort herrschenden Lagersystems. Die Petition – eine Initiative von Europe Must Act, Help Refugees, Legal Centre Lesvos, Lesvos Solidarity, Ärzte ohne Grenzen, Refugee Rights Europe und Still I Rise – haben bereits 450 Organisationen, Netzwerke, Gruppen, Abgeordnete sowie Mitglieder des Eurpäischen Parlaments und 165.000 weitere Personen unterzeichnet.

Auch einen Monat nach dem Großbrand im Massenlager Moria sitzen mehr als 7.500 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen in dem neu errichteten Lager Kara Tepe auf der Insel Lesbos fest. Einige beschreiben die Bedingungen als „schlimmer als in Moria“. Aber nicht nur Schutzsuchende auf Lesbos werden durch die Bedingungen in den Lagern systematisch in ihren grundlegendsten Menschenrechten verletzt, ein ganzes Netzwerk von überbelegten EU-Massenlagern zieht sich über die griechischen Inseln. Die Hilfsorganisationen erklären: „Genug ist genug! Wir bekräftigen unsere Forderung danach, diese Menschen in sichere und menschenwürdige Unterkünfte zu bringen. Auch andere europäische Staaten müssen die Schutzsuchenden aufnehmen, um die Situation auf den griechischen Inseln zu entlasten. Wir appellieren an die führenden Politikerinnen und Politiker der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer, die Abschottungspolitik auf den griechischen Inseln zu beenden und die Pläne zu verwerfen, sich an den Außengrenzen noch weiter zu verschanzen“.

„Menschen schlafen auf dem nackten Boden“

Der Einsatzleiter von „Ärzte ohne Grenzen“ auf Lesbos, Marco Sandrone, erklärt: „Die Zustände in dem neuen Lager erinnern uns stark an Moria. Unsere Patienten erzählen uns, dass ihre Situation dort sogar noch schlechter ist. Bewohner sagen, dass einige Zelte keinen Boden haben und sie auf Fels und Staub auf dem Boden schlafen müssen, dass viele Familien ihr Zelt mit anderen Familien teilen müssen und dass es nur 345 Toiletten gibt. Wir wissen von mindestens 206 Personen, die zur Hochrisikogruppe für Covid-19 gehören. 87 unserer Patienten auf Lesbos müssen aus medizinischen Gründen dringend evakuiert werden, weil sie eine Spezialbehandlung benötigen, die es auf Lesbos gar nicht gibt. Darunter sind 31 Kinder und 56 Opfer von Folter, sexueller Gewalt und Misshandlung. Wir fordern erneut den sofortigen Transfer aller Asylsuchenden auf den griechischen Inseln in sichere Unterkünfte auf dem Festland oder in andere EU-Staaten.“

Lager wird Winter nicht standhalten

Das neue Zeltlager Kara Tepe wurde in kürzester Zeit auf dem Gelände eines ehemaligen Schießstandes des Militärs errichtet. Es liegt direkt an der Küste und ist allen Elementen ausgeliefert. Zudem naht der der Winter und das Camp wird den kommenden Regenfällen und Stürmen nicht standhalten. All dies geschieht während einer Pandemie, in der es für die Bewohnerinnen und Bewohner unmöglich ist, sich zu schützen.

Auch die Asylsuchenden in den anderen überfüllten EU-Hotspots auf Samos, Chios, Kos und Leros sitzen in menschenunwürdigen Bedingungen fest. Auf Kos werden Neuankömmlinge seit Januar automatisch eingesperrt. Im Hotspot auf Samos leben 4.314 Menschen in einem Lager für lediglich 648 Personen. Mehr als 90 von ihnen sind positiv auf Covid-19 getestet worden, doch es gibt keinerlei angemessene medizinische Reaktion darauf.

Als hätte es Moria nicht gegeben: EU-Staaten setzen Abschottungspolitik fort

Die Hilfsorganisationen klagen an: „De facto wird die Abschottungspolitik, die diese wiederkehrenden Notsituationen in den vergangenen fünf Jahren verursacht hat, einfach fortgesetzt. Der EU-Migrationspakt verschärft sogar noch eine Politik, die auf den griechischen Inseln jahrelanges menschliches Leid erzeugt hat. Er führt den gescheiterten Ansatz der EU-Hotspots auf den griechischen Inseln fort, weitet Grenzverfahren aus und setzt offen auf Abschreckung und Abschiebung statt auf menschenwürdige Aufnahme und Schutz.“