Geldstrafen für Misshandlung von Schutzsuchenden

Nach zweieinhalb Jahren ist das Urteil gegen drei Angehörige eines privaten Sicherheitsdienstes und einen Sozialarbeiter wegen systematischer Misshandlung von Schutzsuchenden gefallen. Die vier Haupttäter erhielten Geldstrafen.

900 bis 3.500 Euro kostet die Haupttäter die Misshandlung von Schutzsuchenden. Die lächerlich milden Urteile gegen drei Angehörige eines privaten Sicherheitsdienstes und einen Sozialarbeiter wurden vom Landgericht Siegen verhängt. Verurteilt wurden die Täter wegen neunfacher Freiheitsberaubung und einem Fall von Nötigung.

Etwa 30 Personen waren wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung in mehr als 45 Fällen angeklagt. Was sich in den Worthülsen von Straftatbeständen kaum abbilden lässt, ist die systematische Quälerei, die an Menschen in der Sammelunterkunft in Burbach im Siegerland verübt wurde. Die Schutzsuchenden wurden vom Wachdienst geschlagen, eingesperrt, gedemütigt und gequält.

Täter prahlten mit Handyvideos

Bereits im September 2014 waren die Taten von Burbach dank eines Videos, das an den WDR geleakt wurde, ans Licht gekommen. Auf dem Video ist das sogenannte „Problemzimmer“ zu sehen. In diesem Zimmer drückten Wachleute einen jungen Mann auf eine mit Erbrochenem verdreckte Matratze. Auf Handyfotos, die im Rahmen der Ermittlungen sichergestellt wurden, prahlen Wachleute mit dem Fuß im Nacken eines am Boden festgehaltenen Schutzsuchenden.

Leg dich in deine Kotze und schlaf“

Es liegen weitere erschütternde Berichte aus Burbach vor. So wurde ein Schutzsuchender geschlagen und für fünf Tage eingesperrt, nachdem er betrunken und nach der Ausgangssperre im Lager angekommen war. Andere Bewohner:innen wurden Berichten zufolge ins Gesicht geschlagen, mit Stöcken misshandelt, bis sie ohnmächtig wurden, an Laternenpfähle gefesselt, mit Pfefferspray besprüht oder ihnen wurde gesagt, sie sollten sich „in ihre Kotze legen und schlafen“, nachdem sie so lange geschlagen wurden, bis ihnen schlecht wurde.

Gericht zeigt Verständnis für die Täter

Was hier ans Licht kam, stellt mit großer Wahrscheinlichkeit nur die Spitze des Eisbergs dar, da viele der Opfer bereits abgeschoben sind oder aus Angst nicht bereit sind, die Wachleute anzuklagen. Das sogenannte „Problemzimmer“ wurde immer wieder bei Verstößen gegen die Hausordnung wie Rauchen auf den Zimmern als Bestrafung eingesetzt. Die Landgerichtssprecherin Silvia Sünnemann relativiert die Verantwortung der Täter: Die Angeklagten, „die in dem Umgang mit den Flüchtlingen und der für sie schwierigen Situation in der Unterkunft mit teilweise auch psychisch erkrankten Bewohnern nicht geschult waren“, hätten so Regelverstößen begegnen wollen, erklärt Sünnemann. Das Gericht zeigte viel Verständnis für die Angeklagten und erklärte, sie seien in diese Situation „hineingeschlittert“. Dieser Beschönigung steht jedoch die Aussage eines der Hauptangeklagten im Verfahren gegenüber. Er sagt, dass in der Einrichtung eine insgesamt negative Atmosphäre herrschte und dass andere Wärter es „genossen“ hätten, die Schutzsuchenden zu schikanieren.

33-fache Freiheitsberaubung kostet 1.200 Euro

Der damalige Leiter der vom berüchtigten Lagerbetreiber European Homecare (EHC) betreuten Unterkunft, Ricardo S., war bereits im Januar 2019 wegen Freiheitsberaubung in 33 Fällen zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro und einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Misshandlungen seien erfolgt, um den Ruf der Einrichtung nicht durch Polizeieinsätze zu gefährden, erklärte damals die Staatsanwaltschaft. Bislang wurden 14 der 38 Angeklagten verurteilt. Ein Angeklagter ist seit Prozessbeginn verstorben und acht Einzelverfahren laufen noch.

Jelpke: „Übergriffe keine Einzelfälle“

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, warnt: „Die Misshandlungen in Burbach gehören sicherlich zu den gewaltvollsten Übergriffen von Mitarbeitern privater Sicherheitsunternehmen auf Geflüchtete, die in den letzten Jahren bekannt wurden. Doch Übergriffe und Eingriffe in die Grundrechte von Schutzsuchenden durch Wachleute sind keine Einzelfälle. Wachleute dringen regelmäßig unerlaubt in Wohnräume ein oder führen erniedrigende Durchsuchungen durch, zudem kommt es immer wieder zu Schlägen und Tritten, rassistischen Beleidigungen, dem Einsatz von Pfefferspray sowie sexuellen Übergriffen.

Bester Schutz ist Abschaffung der Sammellager“

Der Fehler liegt eindeutig im System: Sammelunterkünfte begünstigen ein Klima der Gewalt, denn die Unterbringung in isolierten Lagern verleiht dem Wachpersonal eine enorme Macht und bringt Geflüchtete in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis. Der beste Schutz gegen solche Übergriffe ist und bleibt die Abschaffung von großen Sammellagern, die solche Gewalt systematisch produzieren. Geflüchtete müssen stattdessen vermehrt dezentral untergebracht werden, das fördert zugleich ihre Integration. Solange Geflüchtete in Sammellagern untergebracht werden, muss es zumindest funktionierende Beschwerdestellen geben, bei denen die Lagerbewohner sich wirksam über Machtmissbrauch und Übergriffe seitens des Wachpersonals beschweren können.“