Ein türkisches Gericht in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) hat die Einstellung des Ermittlungsverfahrens um den Tod von Mehmet Sadık Bozeri, der am 23. Februar 2016 während der Militärbelagerung von Hezex (Idil) von türkischen Sicherheitskräften ermordet wurde, für rechtens befunden und damit die Klage seiner Hinterbliebenen abgewiesen. Es gebe keinen Anlass zu einer Anklage, da die Militärs nicht rechtswidrig, sondern in Notwehr gehandelt hätten. Die Staatsanwaltschaft Idil hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass es sich bei Bozeri „zu hoher Wahrscheinlichkeit nach um ein neutralisiertes Organisationsmitglied gehandelt“ habe. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht nun an und räumte somit die extralegale Hinrichtung ein.
Rückblick: Anfang September 2015 verhängte der türkische Staat über Hezex eine Ausgangssperre. Es war die erste einer bis zum Frühjahr 2017 nicht abreißenden Kette von Ausgangssperren, da zuvor in einer Reihe kurdischer Städte und Gemeinden die Selbstverwaltung proklamiert worden war.
Mehmet Sadık Bozeri hatte seine Wohnung in einem Haus im Stadtteil Atakent trotz Militärbelagerung nicht verlassen. Der 54-Jährige wartete am Tag seines Todes auf einen Krankenwagen, da er Herzpatient war und dringend behandelt werden musste. Statt eines Krankenwagens kam die türkische Armee: Soldaten durchsiebten zunächst das Wohnhaus, in dem sich Bozeri befand, mit Schüssen. Anschließend folgte ein tödlicher Granatenbeschuss. Im Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft von Idil heißt es dazu: „Bei der Durchsuchung des Objekts wurde eine etwa 50 bis 55-jährige männliche Leiche gefunden, die Verletzungen im Brustbereich aufwies. Zwar befand sich weder bei dem Toten noch in seiner Umgebung eine Waffe. Da in Funksprüchen allerdings von einem neutralisierten Organisationsmitglied die Rede war, ist davon auszugehen, dass andere Organisationsmitglieder die Waffe des Getöteten entwendet haben.“ Außerdem habe Bozeri nicht zum Kreis der Personen gehört, die vor Ausrufung der Ausgangssperren der Polizei mitteilten, im Ort bleiben zu wollen. An seinem Körper sei zudem Antimon gefunden worden. Damit begründete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Mehmet Sadık Bozeri, das postum wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ eingeleitet wurde.
Antimon ist ein hochgiftiger Legierungsbestandteil, mit dem die Härte des Bleis in der Munition gesteuert wird. Dass sich Reste davon an Bozeris Körper befanden, ist aufgrund der Umstände seines Todes nachvollziehbar.
In Hezex wurden mindestens 127 Menschen Opfer der türkischen Militärbelagerung. Aber auch in anderen Landkreisen von Şirnex sowie in Mêrdîn (Mardin), Amed (Diyarbakir) und anderen kurdischen Städten führte die türkische Armee einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Offiziellen Angaben zufolge starben dabei 1464 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.