„Emine, hast du jemals deinen Sohn Bilal verloren?“

In Istanbul sind die Samstagsmütter zum 717. Mal zusammengekommen, um trotz Polizeiblockade nach dem Verbleib ihrer verschwundenen Angehörigen zu fragen und eine Bestrafung der Täter zu fordern.

Ein weiteres Mal ist der Initiative der Samstagsmütter verwehrt worden, auf ihrem angestammten Platz vor dem Istanbuler Galatasaray-Gymnasium nach dem Verbleib ihrer in Polizeigewahrsam verschwundenen Angehörigen zu fragen. Die 717. Kundgebung der Samstagsmütter fand daher erneut in einem Polizeikessel vor dem Gebäude des Menschenrechtsvereins IHD statt.

Hanife Yildiz, deren Sohn Murat nach der Festnahme verschwunden ist, erklärte auf der Kundgebung: „Wer sind wir denn? Was soll dieses Polizeiaufgebot bezwecken? Wir sind Menschen, die nach ihren Angehörigen fragen, die ihr habt verschwinden lassen. Wir sind alle älter als die ganzen Polizisten hier. Einige könnten unsere Enkel sein. Sie stehen jedoch um uns herum, und wenn sie den Befehl bekommen, greifen sie uns an. Mein Schmerz und meine Wut sind groß. Ich bin eine Mutter und mir wurde mein Sohn genommen. Meine Stärke resultiert aus meiner Mutterschaft und aus meinem Gewissen. Ihr Polizisten glaubt, dass eure Schlagstöcke euch stark machen. Ich möchte Emine Erdoğan fragen: Hast du deinen Sohn Bilal jemals verloren? Nein, hast du nicht. Bilal ist mit dir zusammen im Palast. Und uns werden sogar die Straßen verboten. Wer zahlt denn für diese Straßen, die ihr uns verbietet?“

An dieser Stelle der Ansprache von Hanife Yildiz intervenierte die Polizei. Anschließend verlas Maside Ocak eine Erklärung zu dem Studenten Ismail Bahçeci, der nach seiner Festnahme am 24. Dezember 1994 in Istanbul verschwunden ist. Bahçeci studierte Journalismus und war Vorsitzender der Föderation der Studentenvereine der Türkei. Bereits vor seinem Verschwinden war er etliche Male festgenommen und gefoltert worden. Seit 1993 wurde nach ihm gefahndet und die Polizei durchsuchte mehrmals die Familienwohnung. Die letzte Festnahme wurde von den türkischen Behörden geleugnet, aber seitdem kam die Polizei nie wieder zum Haus der Familie.