Amnesty stuft Gezi-Verurteilte als „gewaltlose politische Gefangene“ ein

Amnesty International hat den Kulturförderer Osman Kavala und sechs weitere Verurteilte des international kritisierten Gezi-Verfahrens als „gewaltlose politische Gefangene“ eingestuft. Damit soll das Unrecht verdeutlicht werden, das sie erfahren haben.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Kulturförderer Osman Kavala und sechs weitere Verurteilte des Gezi-Verfahrens als „gewaltlose politische Gefangene“ eingestuft. Mit diesem Schritt solle das Unrecht verdeutlicht werden, das die Gefangenen, die sich in der Türkei „auf der Grundlage konstruierter Anklagen hinter Gittern befinden“, durch willkürliche Inhaftierung, politisch motivierte Strafverfolgung, einen Schauprozess und ihre Verurteilung erfahren haben, sagte Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin bei Amnesty International.

Osman Kavala war im April wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der Regierung zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die Strafverfolgungsbehörden führten an, dass der Menschenrechtler die friedlichen Gezi-Park-Proteste 2013 mitorganisiert habe, legten jedoch keinerlei Nachweise für diese Argumentation vor. Der 64-Jährige befindet sich bereits seit November 2017 in Haft. Seine sieben Mitangeklagten – die Architektin Mücella Yapıcı, der Städteplaner Tayfun Kahraman, der Anwalt Can Atalay, die Dokumentarfilmerin Mine Özerden, die Filmproduzentin Çiğdem Mater, der Hochschulleiter Hakan Altınay und der Universitätsgründer Yiğit Ekmekçi – wurden für schuldig befunden, Osman Kavala geholfen zu haben. Sie wurden zu jeweils 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Sechs von ihnen wurden noch im Gerichtssaal festgenommen und ins Gefängnis gebracht; für Yiğit Ekmekçi wurde ein Haftbefehl ausgestellt.

„Die schockierend ungerechte Behandlung der im Gezi-Prozess Verurteilten zeigt einmal mehr auf, dass das türkische Justizsystem als repressives Instrument eingesetzt wird, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen“, kommentierte Agnès Callamard. Jeder weitere Tag, den die sieben Menschenrechtler:innen hinter Gittern verbringen müssten, sei ein „Schlag ins Gesicht für die Konzepte der Gerechtigkeit und der Menschenrechte – Grundsätze, die der türkische Staat laut Eigenverpflichtung aufrechterhalten möchte und dennoch regelmäßig verletzt. Die im Gezi-Prozess Verurteilten sind gewaltlose politische Gefangene und müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.“

Kurz vor der Anerkennung der sieben Inhaftierten als gewaltlose politische Gefangene erhielten sie Besuch von einer Amnesty-Delegation. Das teilte der Rechtsanwalt Kerem Dikmen am Freitag auf einer Pressekonferenz zusammen mit der Gründerin von Amnesty International Türkei, Ruhat Sena Akşener, und dem türkischen Kampagnendirektor der Organisation, Tarık Beyhan, mit. Dikmen ist Vorstandssprecher von Amnesty International in der Türkei und leitete die Delegation bei den Besuchen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri und im Frauengefängnis Bakırköy. „Die Gezi-Verurteilten sind nach einem unfairen Wiederaufnahmeverfahren schuldig gesprochen. Wir fordern ihre umgehende Freilassung“, so der Jurist.