25 Jahre danach: Gedenken an Opfer von Gazi-Massaker

In Istanbul ist der Opfer des Massakers von Gazi gedacht worden. Das Massaker fand vom 12. bis zum 15. März 1995 statt und endete als Pogrom gegen die alevitische Bevölkerung. Mindestens 22 Menschen wurden von Ultranationalisten und Polizisten ermordet.

Im Istanbuler Stadtviertel Gazi ist der Opfer des Massakers von 1995 gedacht worden. Zahlreiche Alevit*innen und Repräsentant*innen alevitischer Interessenverbände und Organisationen forderten eine Bestrafung der ehemaligen türkischen Ministerpräsidentin Tansu Çiller, die als Verantwortliche für das Massaker und die Pogromstimmung der 1990er Jahre gesehen wird.

Das Massaker von Gazi fand vom 12. bis zum 15. März 1995 statt und endete als Pogrom gegen die alevitische Bevölkerung. Mindestens 22 Menschen wurden dabei von Ultranationalisten und Polizisten ermordet. Es richtete sich, wie schon das Massaker von Sivas (kurd. Sêwas) nur zwei Jahre zuvor, gegen Alevitinnen und Aleviten. Von „unbekannten Tätern” aus nationalistischen Kreisen wurde in der Nacht zum 12. März 1995 ein Taxi in Gazi entführt und dem Fahrer die Kehle durchgeschnitten. Die Täter schossen daraufhin im Vorbeifahren mit automatischen Waffen wahllos in alevitische Cafés, Kulturhäuser und Konditoreien. Ein Mensch starb, zahllose weitere wurden verletzt. Anschließend wurde das Fahrzeug in Brand gesetzt.

Proteste in Gazi, März 1995

Daraufhin kam es zu Protesten vor einer Polizeiwache, die 200 Meter vom Tatort entfernt lag. Die friedliche Demonstration eskalierte, als ein Militärpanzer in die Menschenmenge fuhr. Die „Sicherheitskräfte” ermordeten 20 Demonstrant*innen durch gezielte Schüsse und verwundeten Hunderte. Das Pogrom war von systematischen Massenverhaftungen, Hausdurchsuchungen und Polizeiübergriffen in mehreren Istanbuler Stadtteilen begleitet. Einige der Inhaftierten gelten wie weitere tausende Menschen in der Türkei – vor allem Kurd*innen – bis heute als „verschwunden”.

Gedenken „begleitet” von Polizeihubschraubern und Wasserwerfern

Die Gedenkveranstaltung wurde wie jedes Jahr mit einer Demonstration eingeleitet. Dazu hatten sich hunderte Menschen vor dem Cem-Haus versammelt. Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Ereignisse setzte sich die Menschenmenge hinter einem Fronttransparent mit der Aufschrift „Von Gazi bis Ümraniye – Wir fordern Gerechtigkeit”  in Bewegung. Immer wieder fielen dabei lautstark die Parolen „Die Toten von Gazi sind unsterblich” und „Die Mörder werden dem Volk Rechenschaft ablegen”. Viele Teilnehmende trugen Fotos der Opfer des Massakers. Als die Namen der Opfer verlesen wurden, riefen die Denonstrant*innen aus vollem Halse: „Ist hier”.

Der Marsch wurde von Drohgebärden türkischer Sicherheitskräfte überschattet. Während der Demonstration kreisten Polizeihubschrauber am Himmel über dem Stadtviertel. Vor dem zentralen Postgebäude in Gazi, wo eine abschließende Kundgebung stattfand, wurde die Demonstration in einen Kessel aus Wasserwerfern und Polizeipanzern genommen.

Plan der Regierung scheitert an Zusammenhalt von Gazi

Sezgin Engin, die beim Massaker von Gazi ihren Bruder Engin verlor, hielt im Namen aller Hinterbliebenenfamilien eine Ansprache. Sie erklärte, dass die Regierung mit dem Pogrom versuchte, einen Konflikt zwischen der alevitischen und sunnitisch-islamischen Bevölkerung zu schüren und die Solidarität innerhalb der geschwisterlich lebenden Glaubensgemeinschaften und Völker zu zerbrechen. Dieser Plan sei am Zusammenhalt in Gazi gescheitert.

Anschließend zog die Menschenmenge weiter zum Friedhof Gazi. Dort wurden Nelken an den Gräbern der Opfer des Massakers niedergelegt.