Regime-Justiz: Weiterer Demonstrant in Iran hingerichtet
Mit Mohammad Ghobadlu ist ein weiterer Demonstrant der „Jin Jiyan Azadî“-Proteste in Iran hingerichtet worden. Auch ein kurdischer Geistlicher soll exekutiert worden sein.
Mit Mohammad Ghobadlu ist ein weiterer Demonstrant der „Jin Jiyan Azadî“-Proteste in Iran hingerichtet worden. Auch ein kurdischer Geistlicher soll exekutiert worden sein.
In Iran ist ein weiterer regimekritischer Demonstrant hingerichtet worden. Das berichtete am Dienstag das Onlineportal Mizan, das als Sprachrohr der Regime-Justiz gilt. Diese machte Mohammad Ghobadlu für die Tötung eines Polizisten während der „Jin Jiyan Azadî“-Revolte im Herbst 2022 verantwortlich. Laut Menschenrechtsorganisationen wurde Ghobadlu 23 Jahre alt. Er wurde im berüchtigten Qezelhesar-Gefängnis in Karadsch exekutiert.
Recherchen der „New York Times“ war Ghobadlu Friseur. Er wurde in Teheran kurz nach Ausbruch der Proteste Ende September 2022 festgenommen. Laut staatlicher Darstellung soll er im Vorort Robat Karim mit einem PKW eine Gruppe von Sicherheitskräften überfahren haben. Dabei soll ein Polizist ums Leben gekommen sein, fünf weitere wurden angeblich verletzt. Ghobadlu war gegen sein Todesurteil in Berufung gegangen.
Politische Patin Clara Bünger: Ich bin unendlich traurig
Clara Bünger, Abgeordnete der LINKEN im Bundestag und politische Patin von Mohammad Ghobadlou, erklärte: „Die Nachricht von der Hinrichtung Mohammad Ghobadlous heute Morgen hat mich schwer getroffen. Es ist entsetzlich, dass das Todesurteil nun doch vollstreckt wurde. Mohammads Familie und Unterstützer, auch ich, hatten Hoffnung gefasst, nachdem der Oberste Gerichtshof im Iran das Todesurteil vor wenigen Monaten zunächst ablehnte. Nun wurde es dennoch kurzfristig durch die iranische Justiz an die Abteilung für die Vollstreckung der Todesstrafe in Robat Karim weitergeleitet und heute vollstreckt. Dieses willkürliche Vorgehen zeigt wieder einmal die brutale Handhabe des Mullah-Regimes mit politischen Gefangenen. Dass die Anordnung so kurzfristig erteilt wurde, kommt für alle unerwartet, auch im Vergleich zu bisher vollzogenen Hinrichtungen. Das ist eine Zäsur.
Mohammad Ghobadlou wurde verhaftet, als er sich mit den Protesten der Frauen im Iran solidarisierte. Anfang November 2023 wurde er durch das Teheraner Revolutionsgericht in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Nach Angaben seiner Mutter hat das Gericht die Anwälte des 24-Jährigen entlassen und erlaubte ihnen nicht, das Gerichtsgebäude zu betreten. Er wurde ohne Präsenz eines Anwalts verhört und am ersten Tag seines Gerichtsverfahrens zum Tode verurteilt. Solch ein rechtswidriges Verfahren ist nicht hinnehmbar. Für die Verurteilung von Mohammad Ghobadlou ist Abolqasem Salavati verantwortlich, der auch als ,Richter des Todes' bekannt ist. Er hat noch mindestens fünf weitere Menschen im Zusammenhang mit den Protesten im Iran zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung und die EU müssen dafür sorgen, dass Richter wie er niemals einen sicheren Ort in der EU finden.
Die Nachricht von Mohammad Ghobadlous Tod macht mich unendlich traurig, meine Gedanken sind bei seinen Angehörigen und den vielen weiteren Opfern des Regimes, die bereits hingerichtet wurden. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestags habe ich eine Patenschaft für ihn übernommen, um mich für sein Leben und seine Freiheit einzusetzen. Niemand darf inhaftiert oder gar getötet werden, weil er sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hat. Alle politischen Gefangenen im Iran müssen umgehend freigelassen werden."
Massenproteste nach Tod von Jina Mahsa Amini
Die „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolte hatte sich im September 2022 entzündet und schnell das gesamte Land erfasst. Hintergrund war der Tod der aus Seqiz stammenden Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige war in Gewahrsam iranischer Sittenwächter während eines Aufenthalts in Teheran zu Tode misshandelt worden.
Vor allem die junge Generation ging über Monate hinweg gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Der Staatsapparat ließ die Demonstrationen gewaltsam niederschlagen: mehr als 550 Menschen wurden getötet, darunter etwa 70 Minderjährige, zudem sind mehr als 22.000 Menschen festgenommen worden. Mittlerweile hat die Islamische Republik mindestens neun Menschen hinrichten lassen, die an den Protesten teilgenommen hatten.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete die Prozesse gegen sie als unfaire „Scheinverfahren“ und wirft der politischen Führung in Teheran vor, mit den Hinrichtungen Angst zu verbreiten und die Protestbewegung einschüchtern zu wollen.
The lawyer of #Mohammad_Ghobadlu has disclosed the imminent execution risk for this political prisoner. His family is currently stationed in front of Qezelhesar Prison, striving to prevent the execution. Simultaneously, #Farhad_Salimi, a Kurdish prisoner sentenced to death, has… pic.twitter.com/qnNigCi6wY
— Kurdistan Human Rights Network (KHRN) (@KurdistanHRN_En) January 23, 2024
Offenbar auch kurdischer Geistlicher hingerichtet
Zeitgleich mit Ghobadlu soll auch ein kurdischer Geistlicher im Qezelhesar-Gefängnis hingerichtet worden sein. Farhad Salimi saß bereits seit 14 Jahren im Gefängnis. Vor seiner Verhaftung soll er vom Regime unter Druck gesetzt worden sein, seinen sunnitischen Glauben aufzugeben und zur Staatsreligion, dem schiitischen Islam, überzutreten. 2016 wurde der 43-Jährige aus Seqiz wegen vermeintlicher Verstöße gegen die nationale Sicherheit, Propaganda gegen den Staat und Korruption auf Erden zum Tode verurteilt. Das Kurdistan Human Rights Network (KHRN) warnte zuletzt mehrfach davor, dass die Hinrichtung Salimis unmittelbar bevorstehe. Laut Aktivisten soll sie heute vollstreckt worden sein.
Die Meldung wurde aktualisiert