Zeichnung von Zapatistin doch keine PKK-Propaganda

„Das Thema ist im Grunde zu lächerlich, um es ernst zu behandeln“ – In Mêrdîn ist eine Kurdin vom Vorwurf der PKK-Propaganda freigesprochen worden. Gegenstand des Verfahrens war eine Zeichnung eines Tattoo-Künstlers, die eine Zapatistin darstellt.

Dass für die türkische Justiz jede Kurdin und jeder Kurde potenziell terroristisch oder separatistisch ist, ist hinlänglich bekannt. Täglich stehen kurdische Andersdenkende bizarren Anklageschriften gegenüber, die die Absurditäten des türkischen Systems zeigen. Ein Prozess, der nun in Mêrdîn (tr. Mardin) vorerst zu Ende ging, übertraf die kafkaesken Vorgänge, die man bei den Gerichten in der Provinz bisher gewohnt ist. „Das Thema ist im Grunde zu lächerlich, um es ernst zu behandeln“, fasste Rechtsanwalt Aziz Türk das Prozessgeschehen am Freitag zusammen.

Türk vertrat bei der Verhandlung vor der 2. Strafkammer Mardin die Kurdin Zilan Ö. Nach Auffassung des Generalstaatsanwalts sei ihr „Vergehen“, Terrorpropaganda in digitalen Netzwerken betrieben zu haben. Der „Beweis“: Zwei Postings im Kurznachrichtendienst Twitter, die je eine bewaffnete ezidische Frau und eine zapatistische Kämpferin zeigen. Bei letzterem Bild handelt es sich um eine Zeichnung des nordamerikanischen Tattoo-Künstlers Sam Phillips. Doch für die Anklage war klar: „Hier ist eindeutig ein Mitglied der bewaffneten separatistischen Terrororganisation PKK/KCK zu sehen“. Zilan Ö. sei zu bestrafen, weil sie mit dem Beitrag beabsichtigt habe, das „Handeln“ dieser Organisation zu legitimieren.

„Es ist mir bis heute unbegreiflich, wie diese Anklageschrift überhaupt von einem Gericht angenommen werden konnte“, sagte Verteidiger Aziz Türk bei der Verhandlung. „Das eine Bild zeigt eine Ezidin mit ihrem Kind, die unter dem Eindruck des IS-Genozids in ihrem Siedlungsgebiet Şengal zur Waffe gegriffen hat. Das andere Bild stellt eine zapatistische Kämpferin in Mexiko dar. Wir würden gerne von Seiten des Staatsanwalts darüber aufgeklärt werden, wo nun ein Zusammenhang zur PKK beziehungsweise KCK besteht.“

Eine plausible Antwort blieb wie erwartet aus. Stattdessen beharrte der Chefankläger für Mêrdîn auf seiner „Wahrheit“, wonach mit den Postings die „Ideologie der PKK widergespiegelt“ worden sei. Für Zilan Ö. wurde eine Haftstrafe zwischen zwei und fünf Jahren gefordert – „angesichts der Verkettung der Taten“. Mehr als Kopfschütteln blieb der Kurdin, die die gegen sie erhobenen Vorwürfe nur kurz zurückwies, nicht übrig. Aziz Türk forderte Freispruch. Dem Antrag kam das dreiköpfige Richtergremium einstimmig nach. Ob Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden, ließ die Staatsanwaltschaft bislang nicht erkennen.