Xelîl: Die Haltung des syrischen Regimes hat sich geändert

Zwischen Rojava und Damaskus findet eine Annäherung statt. Der PYD-Politiker Aldar Xelîl sieht positive Signale, betont jedoch auch, dass sich die Bevölkerung im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien nur auf sich selbst verlassen kann.

Der PYD-Politiker Aldar Xelîl hat sich im ANF-Interview zu der von der türkischen Staatsführung angekündigten Besatzungsoperation in Nordsyrien geäußert. Nach der großspurigen Verkündung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan am 23. Mai, seine Regierung plane die Schaffung einer 30 Kilometer tiefen „Sicherheitszone“ in Nordsyrien und die Operation werde starten, sobald Militär, Geheimdienst und Sicherheitskräfte ihre Vorbereitungen abgeschlossen hätten, ist es in den letzten Tagen etwas ruhiger geworden. Offenbar haben die USA und Russland noch kein grünes Licht gegeben, und es findet eine Annäherung zwischen Rojava und Damaskus statt. Dazu kommt die ins Stocken geratene Militäroperation in der Zap-Region in Südkurdistan, die zu hohen Verlusten der türkischen Armee führt. Aldar Xelîl, der Mitglied im Vorstand der PYD ist, sieht positive Signale, betont jedoch auch, dass sich die Bevölkerung im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien nur auf sich selbst verlassen kann.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat vor einigen Tagen die besetzte Stadt Girê Spî besucht. Wie ist dieser Besuch angesichts der aktuellen Invasionsandrohungen zu deuten?

Der türkische Staat hat Dscharablus, Azaz, al-Bab, Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî besetzt und in Idlib befinden sich Milizen, die an ihn gebunden sind. Es handelt sich um eine Besatzungszone, die bereits früher häufig von Ministern und Gouverneuren besucht worden ist. Damit wollen sie signalisieren, dass diese Gebiete inzwischen zum Territorium der Türkei zählen und die Grenzen der Republik Türkei verschoben werden. Es herrscht ohnehin Krieg und dieser Krieg soll jetzt eine noch größere Dimension annehmen. Der Besuch beinhaltet die Botschaft: „Wir werden den Krieg fortsetzen und weitere Gebiete besetzen.“

Wie sind Ihre Vorbereitungen auf einen möglichen weiteren Besatzungsangriff?

Auch bei den früheren Invasionen wurde Widerstand geleistet. Es war ein sehr wertvoller Widerstand, der viele Gefallene und Verwundete gekostet hat. Die Bevölkerung hat den Widerstand unterstützt. Die dabei gewonnenen Erfahrungen wurden ausgewertet, um die aufgetretenen Mängel und Schwächen zu beheben. Vor allem bei der Organisierung der Gesellschaft wurden diese Erfahrungen genutzt. Nach der Besatzung von Efrîn und später von Serêkaniyê und Girê Spî wurde recherchiert und über die Frage diskutiert, ob dieser Verlauf durch einen besser organisierten Widerstand hätte verhindert werden können. Inzwischen sprechen wir von der Strategie eines revolutionären Volkskriegs, in dem sich die Gesellschaft organisiert und Teil des Widerstands wird. Nicht nur opferbereite junge Menschen, die gesamte Bevölkerung wird sich direkt beteiligen. Wenn dann noch basierend auf den bisherigen Erfahrungen verschiedene Maßnahmen getroffen werden, wird der türkische Staat seinen Einmarsch bereuen.

Es gibt Informationen über Zweiergespräche zwischen Rojava und Damaskus. Hat sich die Haltung der Regierung in Damaskus geändert?

Es gibt positive Anzeichen in der Haltung der syrischen Regimes. Bei den früheren Besatzungsangriffen war das Regime sehr zurückhaltend. Jetzt kann man eine Haltung gegen die Besatzung erkennen. Wir finden das richtig und der Schutz der Landesgrenzen ist ohnehin die Aufgabe der Regierung in Damaskus. Es geht jedoch nicht nur um ihre Einstellung, sie muss auch Widerstand leisten. Diese Initiative wird fortgesetzt und wir hoffen auf große Schritte. Die Zeiten haben sich verändert und es wird zu positiven Schritten kommen.

Und wie verhalten sich die USA und Russland als Garantiemächte in der Region bei Gesprächen zu einer möglichen Invasion der Türkei?

Die Großmächte verfolgen mit ihrer Präsenz in der Region unterschiedliche Pläne und Projekte. Sie sind definitiv nicht dazu bereit, die Türkei unseretwegen zu verärgern. Daher warten wir nicht darauf, was sie tun oder nicht tun werden. Wenn sie sich positiv verhalten, ist es gut, wir sagen nicht nein. Aber wir stützen uns nicht auf ihre Haltung und wir haben keine Erwartungen. Bisher haben wir keine eindeutige Positionierung zur Türkei gesehen. Es wird lediglich gesagt, dass eine Invasion negative Auswirkungen haben würde, der IS dadurch wiederbelebt, der Antiterrorkampf geschwächt und die Stabilität der Region zerstört werde. Sie sagen nicht „Halt, stopp, mach das nicht“. Das zeigt eigentlich schon alles. Dementsprechend bereiten wir uns vor. Wenn es zum Krieg kommt, werden wir im Vertrauen auf unsere Selbstverteidigungskraft mit der Bevölkerung Widerstand leisten.