Mazlum Abdi, Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), hat sich bei Ronahî TV zu den aktuellen Entwicklungen in Nord- und Ostsyrien geäußert. Der türkische Präsident und AKP-Vorsitzende Tayyip Erdogan hat am 1. Juni auf der Fraktionssitzung seiner Partei in Ankara einen Angriff auf die Städte Minbic und Tel Rifat angekündigt und erklärt, danach auch weitere Gebiete „von Terroristen zu säubern“. Abdi sagte am Freitagabend, dass die QSD diese Drohung ernst nehmen.
„Angesichts der politischen Ausweglosigkeit im Inland will Erdogan von einem Angriff auf die Region profitieren. Wenn die Türkei die involvierten Seiten überzeugen kann, wird sie angreifen. Wir bereiten uns seit langer Zeit auf diesen Krieg und unsere Selbstverteidigung vor. Seit der Besatzung von Serêkaniyê und Girê Spî treffen wir Vorbereitungen. Die Bevölkerung wird zusammen mit uns Widerstand leisten. Es wird ein harter Krieg werden. Ich glaube nicht, dass die Türkei gewinnen wird. Wir treten dafür ein, alle Probleme im Dialog zu lösen. Sollte es jedoch zu einem Angriff kommen, werden wir uns verteidigen“, so der QSD-Kommandant.
Tel Rifat liegt im Kanton Şehba, in dem seit der Besatzung von Efrîn im Jahr 2018 Hunderttausende Vertriebene leben. Auch Minbic hat zahlreiche Binnenflüchtlinge aufgenommen. Mazlum Abdi erklärte dazu: „Die Türkei spricht von Sicherheitsbedenken. In allen Gebieten, in die die Türkei eingedrungen ist, gibt es jedoch keine Sicherheit mehr. Das haben wir in Efrîn gesehen. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde vertrieben, die Menschenrechte werden jeden Tag verletzt. In Minbic leben über 300.000 Geflüchtete. In den Gebieten, die die Türkei angreifen will, leben zwei Millionen Menschen und die Hälfte besteht aus geflüchteten Menschen. Durch einen Angriff werden sie erneut in die Flucht getrieben werden. In Nordsyrien gibt es zudem viele Lager, in einigen leben IS-Familien. Sollte es zu einem Angriff kommen, werden wir die Sicherheit in diesen Camps vermutlich nicht mehr gewährleisten können. Ein solcher Angriff würde auch nicht nur die Region betreffen, sondern Probleme in ganz Syrien und in den Nachbarländern verursachen.“
Von einer türkischen Invasion profitieren würde in erster Linie der sogenannte Islamische Staat (IS), unterstrich Abdi: „Der IS ist noch nicht besiegt und wartet auf weitere Gelegenheiten zum Angriff. An Orten wie Girê Spî und Serêkaniyê werden Islamisten ausgebildet. Wenn es zu einem Angriff kommt, wird der IS seine Aktivitäten steigern. Ein solcher Angriff würde den Terror unterstützen, unser Kampf gegen den IS würde darunter leiden. Wenn uns eine große NATO-Armee angreift, rückt der Kampf gegen den IS in den Hintergrund. Durch eine Invasion wird der IS gestärkt.“
Zu der Ankündigung Erdogans, „eine Million Flüchtlinge“ in seiner Besatzungszone in Nordsyrien anzusiedeln, erklärte Abdi: „Dieses Projekt hat nichts mit Menschenrechten zu tun. Es ist ein politisches Projekt zur Veränderung der demografischen Struktur. Zwischen den Völkern sollen Konflikte geschürt werden. Die Menschen, die dort angesiedelt werden sollen, sind nicht aus dieser Region in die Türkei gegangen. In diesen Gebieten leben bereits Menschen. Wir sind unserem Volk gegenüber verpflichtet, dieses Projekt zu verhindern. Darüber sprechen wir mit unseren Freunden. Falls notwendig, intervenieren wir auch militärisch. Niemand wird freiwillig Teil dieses Projekts, es gibt keine freiwillige Rückkehr. Nach unseren Informationen hat Erdogan auf internationaler Ebene keine Zustimmung gefunden. Dieses Projekt wird von Organisationen aus Kuwait und Palästina unterstützt, die nichts mit Menschenrechten zu tun haben. Diese Einrichtungen müssen sich zurückziehen, niemand darf ein Projekt zur Veränderung der demografischen Struktur unterstützen.“
Der QSD-Kommandant Mazlum Abdi fordert internationalen Protest gegen die geplante Invasion der Türkei. Andernfalls werde diese ihre Pläne umsetzen. „Am 8. Juni findet ein Treffen der Außenminister der Türkei und Russlands statt. Russland erklärt, einen Angriff nicht zuzulassen. Wir sprechen mit den USA über dieses Thema und auch sie sind gegen einen Angriff. Das muss jedoch noch viel eindeutiger zum Ausdruck gebracht werden.“