Feldzug gegen Bevölkerung
Durch die kurdische Provinz Êlih (tr. Batman) fegte im Zusammenhang mit den andauernden Protesten wieder eine Festnahmewelle. Bereits seit Samstag sind mindestens 24 Personen wegen des Verdachts der Unterstützung einer „Terrororganisation“ und Verstößen gegen ein Demonstrationsverbot in Gewahrsam, hieß es aus Anwaltskreisen. Unter ihnen befinden sich auch sechs Minderjährige, hieß es weiter. In vielen Fällen soll es bei den von Hausdurchsuchungen begleiteten Festnahmen zu Polizeigewalt gekommen sein. Angaben zu ihrem Zustand liegen bislang nicht vor.
Hintergrund der Proteste in Êlih ist die Einsetzung eines staatlich bestellten Zwangsverwalters im Rathaus am 4. November anstelle der bei der Kommunalwahl Ende März gewählten Ko-Bürgermeisterin Gülistan Sönük. Das Innenministerium wirft der DEM-Politikerin vor, Mitglied der „Bewegung freier Frauen“ (TJA) zu sein, die eine „terroristische Vereinigung“ sein soll. Auch die DEM-Bürgermeister von Mêrdîn (Mardin) und Xelfetî (Halfeti) wurden unter fadenscheiniger Begründung aus dem Amt entfernt. Dagegen wird ebenfalls weiter demonstriert.
Die bisher heftigsten Proteste fanden allerdings in Êlih statt. Entsprechend fiel auch die Reaktion der Behörden aus: Bis letzten Mittwoch waren bereits 195 Menschen festgenommen worden; 25 von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft, gegen fünf weitere Personen wurde Hausarrest angeordnet. Dass für die jüngsten Festnahmen die Gewahrsamsdauer auf drei Tage festgelegt wurde, werten Anwält:innen als vorsorgliche Maßnahme. Die Polizei wolle damit den Druck auf die Bevölkerung erhöhen, die Proteste gegen die Zwangsverwaltung zu beenden.
Für diesen Sonntag ist in Êlih zudem eine Großkundgebung für eine Lösung der kurdischen Frage und eine Demokratisierung der Türkei angekündigt. Da seit der Absetzung der Bürgermeisterin ein vom Zwangsverwalter angeordnetes absolutes Demonstrationsverbot in Kraft ist, das von der Bevölkerung ignoriert wird, rechnet man mit einer weiteren Eskalation der Polizeigewalt. Nahezu alle Proteste in Êlih waren in den vergangenen Tagen mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen attackiert worden, anschließend hatte es teils brutale Festnahmen gegeben.
Titelbild: Wasserwerfereinsatz während einer Demonstration am 10. November 2024 in Êlih © MA