Proteste gegen türkische Treuhänder
Während deutsche Medien in diesen Tagen in Dauerschleife über die Wahlen in den USA, Georgien oder Moldawien berichten, bleibt es merkwürdig still bezüglich des jüngsten Angriffs auf die kommunale Demokratie in der Türkei. Nachdem schon letzte Woche im Istanbuler Stadtteil Esenyurt der CHP-Bürgermeister Prof. Dr. Ahmet Özer abgesetzt und verhaftet wurde, ließ der türkische Innenminister am Montag drei demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister:innen in den Städten Mêrdîn (tr. Mardin), Êlih (Batman) und Xelfetî (Halfeti) durch staatliche Zwangsverwalter ersetzen.
Proteste gegen diese Verhöhnung des demokratischen Willens werden gewaltsam unterdrückt, und ein Verbot von Demonstrationen für die kommenden zehn Tage verhängt. In Videos, die auf der Plattform X kursieren, sieht man, wie brutal Menschen abgeführt werden, die gegen den Raub der Wählerstimmen auf die Straße gehen.
Wir erinnern uns: Am 4. November 2016 wurden die HDP-Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ verhaftet. Die Botschaft zum achten Jahrestag des Versuchs der Zerschlagung der kurdischen Oppositionspartei ist klar: Das AKP/MHP-Regime wird niemals Kurd:innen in verantwortlichen kommunalen Positionen dulden. Wieder einmal zeigt sich, dass die Worte von Bahçeli („Lasst Öcalan im Parlament sprechen“) und Erdoğan („Die Kurden sind unsere Brüder und Schwestern“) hohles Geschwätz sind. Der türkische Staat will keinen Frieden mit den Kurd:innen, sondern setzt weiterhin auf Gewalt und Konfrontation.
Nach diesem neuerlichen Putsch auf die Kommunalverwaltungen in kurdischen Städten fragt ein Jugendlicher in Êlih: „Wenn ihr Zwangsverwalter einsetzt, warum haltet ihr dann überhaupt noch Wahlen ab?“. Wieder einmal hat der türkische Staat deutlich gemacht, dass in Diktaturen das Ringen um demokratische Rechte auf parlamentarischem Weg zwecklos ist. Wie viele junge Leute werden heute beschließen, den Weg in die Berge zu suchen?
Die Bundesregierung wird nicht müde, auf Demokratiedefizite in anderen Staaten hinzuweisen, nur um die Türkei macht die „wertebasierte“ Außenpolitik einen Bogen. Stattdessen verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz eine kräftige Ausweitung der Rüstungsexporte. Waffen, die Erdoğan für seinen Krieg in Kurdistan braucht. Wer hat jemals geglaubt, die Bundesregierung könne eine Vermittlerrolle bei der Lösung der sogenannten „kurdischen Frage“ spielen?
Der kurdische Dachverband in Europa KCDK-E rief am Montag zu Protesten gegen die Zwangsverwaltung in Nordkurdistan auf. In zahlreichen Städten kam es spontan zu Kundgebungen und Demonstrationen, auch in Deutschland:
Berlin
Köln
Nürnberg
Stuttgart
Bielefeld
Frankfurt am Main
Bonn
Freiburg
Mannheim