Vom 15. August zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus

Cemil Bayık erklärt im Interview mit Dengê Welat, dass niemand die Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK 1984 erwartet hatte und erläutert, welche Wirkungen dieser Vorstoß auf die Bevölkerung hatte.

Anlässlich des nahenden Jahrestages der Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK bewertete der Ko-Vorsitzende der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) Cemil Bayık im Radiosender Dengê Welat die Bedeutung des 15. Augusts 1984 für die kurdische Bevölkerung und den Kampf um Freiheit im Mittleren Osten. Im Folgenden geben wir eine gekürzte Fassung von Bayıks Ausführungen wieder.

Die Antwort auf den Militärputsch von 1980

Bayık begann seine Bewertung mit einem Gedenken an all diejenigen, die bei der Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK am 15. August 1984 Verantwortung trugen und fuhr wie folgt fort: „Der Vorstoß vom 15. August ereignete sich inmitten des Faschismus des 12. September 1980 [Datum des Militärputsches in der Türkei unter der Führung von Kenan Evren]. Durch den Militärputsch sollten die Kurden überrollt und Kurdistan in ein offenes Gefängnis verwandelt werden. Mit dem 12. September hatte sich die Kolonialisierung Kurdistans vertieft, sie hatte eine neue Dimension eingenommen. Der 15. August war auch eine Antwort hierauf. Es ging um den Widerstand gegen einen Genozid an den Kurden dar. Wenn der bewaffnete Kampf nicht aufgenommen worden wäre, hätte der Faschismus die Kurden vernichten können.“

Der KCK-Ko-Vorsitzende erinnerte daran, dass das faschistische Putschregime der Türkei den Widerstand der Kurden durch seine Gefängnispraxis, insbesondere im Gefängnis von Amed (Diyarbakir), brechen wollte: „Die Gefangenen in Amed wurde auf grausame Weise angegriffen. Viele, die den Anspruch hatten, im Namen der kurdischen Bevölkerung zu agieren, wurden durch diese Angriffe gebrochen. Unter diesen Bedingungen hat unser Vorsitzender Apo [Abdullah Öcalan] den Entschluss zum 15. August gefasst. Nicht nur er beugte sich nicht dem Faschismus, auch im Gefängnis leisteten viele Genossinnen und Genossen Widerstand."

Niemand glaubte an einen solchen Vorstoß inmitten des Faschismus“

Bayık führte weiter aus, dass niemand auch nur an die Möglichkeit einer solchen Antwort auf das faschistische Putschregime geglaubt habe. „Nicht nur der türkische Staat unterschätzte uns vollständig. Auch viele linke Kräfte glaubten nicht daran, dass unter den Bedingungen des Faschismus ein solcher Vorstoß möglich sei. Unter der Führung von Mazlum Doğan, Hayri Durmuş, Kemal Pir, Ferhat Kurtay und Necmi Öner wurde im Gefängnis der Widerstand organisiert. Unser Vorsitzender Apo wollte eigentlich auch den militärischen Vorstoß zügiger organisieren, aber wir waren dazu noch nicht bereit. Wir wollten nämlich gut vorbereitet sein, damit unser Schicksal nicht am Ende dem von Deniz Gezmiş und İbrahim Kaypakkaya glich. Wir wollten uns keine Fehler leisten, deshalb konnten wir den bewaffneten Widerstand erst zum 15. August aufnehmen", so Bayık.

Zu der Wirkung des Beginns des bewaffneten Kampfes auf die Bevölkerung führte der KCK Ko-Vorsitzende aus: „Als der Vorstoß von Erfolg gekrönt wurde, hatte das eine unheimlich positive Wirkung auf alle Genossinnen und Genossen. Plötzlich strömte aber auch die Bevölkerung in Massen in die Berge, um sich der Partei anzuschließen. Wir hatten eine solche Zuwendung der Bevölkerung nicht einkalkuliert und waren auf den Anschluss so vieler Menschen nicht vorbereitet. Deshalb schickten wir sie zurück in ihre Dörfer. Doch nach ihrer Rückkehr waren sie dem Druck des türkischen Staates ausgesetzt. Der Staat wollte diese Menschen zu Dorfschützern machen, um sie gegen uns kämpfen zu lassen. ‚Wenn ihr uns nicht dient, werden wir eure Häuser niederbrennen und nicht zulassen, dass ihr hier leben könnt', erklärte ihnen der Staat. Einige sind aufgrund dieses Drucks zu Dorfschützern geworden, andere haben sich dennoch geweigert. Auch wir tragen Verantwortung dafür, dass einige dieser Menschen zu Dorfschützern wurden."

Mehr als ein Guerillawiderstand

Bayık ging im Radiosender Dengê Welat auch auf die Bedeutung des Guerillakampfes nach dem Ende des Kalten Krieges ein. „Die unterdrückten Völker können mittels des Guerillakampfes den Herrschenden das Leben schwer machen. Doch zugleich ist es mehr als nur das. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde propagiert, dass der Sozialismus am Ende sei. So sollten die Guerillabewegungen ausgelöscht werden. Viele Bewegungen wendeten sich tatsächlich von ihren sozialistischen Idealen ab. Doch unser Vorsitzender Apo machte das Gegenteil. Während die kapitalistische Moderne den vermeintlichen Niedergang des Sozialismus zu unserem Schicksal erklärte, wies unser Vorsitzender diese Behauptung in aller Deutlichkeit zurück. Damit hat er den Kampf für den Sozialismus nach vorne getragen."

Der KCK-Ko-Vorsitzende erklärte, dass in der Rückschau die Bedeutung des 15. August noch besser verständlich sei: „Unsere ersten Vorstöße fanden in der Region Botan statt. Botan ist das Herz Kurdistans. Die Bevölkerung beantwortete unseren Vorstoß. Nicht nur Kurden schlossen sich uns an, sondern auch Menschen aus anderen Völkern. Die Aufnahme des bewaffneten Kampfes hat in allen vier Teilen Kurdistans, sogar im gesamten Mittleren Osten, Wirkung gezeigt. Die kapitalistische Moderne versuchte seit Jahren, Eingang in Kurdistan zu finden. Der Vorstoß des 15. August hat diese Versuche ins Leere laufen lassen.

Viele andere Bewegungen scheiterten, nachdem ihre führenden Personen festgenommen wurden. Es wurde davon ausgegangen, dass dies auch mit der PKK geschieht, wenn unser Vorsitzender gefangen genommen wird. Aber unser Vorsitzender hat aus der Haft heraus die Bewegung weiter nach vorne getragen. Er plädierte stets dafür, auf die eigene Kraft zu vertrauen. Zu uns sagte er immer, dass wir uns nicht nach seiner Person richten, sondern in unserem Sinne handeln sollen. Der Vorsitzende hat uns und der Bevölkerung Wege aufgezeigt. Aus diesem Grund konnte die kapitalistische Moderne ihr Ziel nicht erreichen."

Organisierung im Sinne der Philosophie Öcalans

Hinsichtlich der aktuellen politischen Situation in der Türkei erklärte Bayık: „Alle, die sich gegen den aktuellen Faschismus in der Türkei stellen, müssen ihre Kräfte vereinen und eine demokratische Front bilden. Hierin haben die kurdische Jugend und die Frauen eine besondere Verantwortung. Wenn wir uns im Sinne der Philosophie unseres Vorsitzenden organisieren, können wir große Siege erringen. Und wenn wir gegen den Faschismus in der Türkei ankommen, können wir die Welt von einer großen Plage befreien. Die Völker der Türkei sollten diesen Faschismus richtig einschätzen und sich entsprechend organisieren. Alle demokratischen Kräfte müssen in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Sie müssen die Angriffe auf ihre demokratischen Werte zum Anlass für Widerstand machen."