Turkmenischer Guerillakämpfer: Wir kämpfen für die Würde

Seit Monaten leistet die Guerilla in der südkurdischen Bradost-Region Widerstand gegen die türkische Besatzungsarmee. Der turkmenische Guerillakämpfer Baran Erdalan sagt, dass der Kampf in Lêlîkan ein Kampf für Würde sei.

Gegen die Besatzungspläne des türkischen Staates in Südkurdistan leistet die Guerilla in der Lêlîkan-Region in Bradost seit nun fast fünf Monaten einen unerbittlichen Widerstand. An diesem Kampf für die Würde, so wie der Lêlîkan-Widerstand von Baran Erdalan, einem Guerillakämpfer mit turkmenischen Wurzeln genannt wird, nehmen viele weitere Kämpfer*innen mit internationalistischem Hintergrund teil, die sich in den letzten Jahren der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) angeschlossen haben.

Seinen Platz in den Reihen der Guerilla hat Baran Erdalan 2015 eingenommen. Im Gespräch mit ANF erzählt er, dass er sich viele Jahre nicht bewusst über seine kurdische Identität war. Aus Furcht vor negativen Konsequenzen habe seine Mutter die Herkunft des frühzeitig verstorbenen Vaters mit einem Tabu belegt und lange Zeit verheimlicht.

„Meine Mutter ist Turkmenin, mein Vater stammte aus Sêrt (Siirt). Geboren wurde ich in Turkmenistan. Dass mein Vater Kurde war habe ich erst erfahren, als ich für mein Studium nach Istanbul ging. Ich war 13, als mein Vater starb“, sagt Erdalan.

Kurdische Identität lange Jahre verheimlicht

Der junge Kämpfer Baran erwähnt, dass seine Mutter ihm zu keinem Zeitpunkt gesagt hätte, dass sein Vater Kurde war. „Ich fragte meine Mutter ständig, warum ich keine Verwandtschaft väterlicherseits habe. Mir war schon als Kind klar, das irgendetwas nicht stimmte. Weil es in Kurdistan immer zu Massakern kam, war es für uns ein Land, vor dem wir uns fürchteten. Eben aus diesem Grund und wegen der anhaltenden staatlichen Repression wollte meine Mutter verhindern, dass ich ein Bewusstsein für meine kurdische Identität entwickelte und nach Kurdistan gehe. Doch als ich später für ein Studium nach Istanbul zog, erfuhr ich von meinen kurdischen Wurzeln und Verwandten meines Vaters, die in Sêrt leben. Nach vielen Jahren habe ich so endlich meine Onkel kennengelernt“.

Tief beeindruckt von Kommandant Agît

Die kurdische Freiheitsbewegung habe Heval Baran während seiner Zeit an der Istanbuler Universität kennengelernt. „Ich war tief beeindruckt vom Kommandanten Agît. Sein Leben hat mein Interesse für die PKK geweckt. Mit jedem Tag wurde der Wunsch größer, mehr über die kurdische Freiheitsbewegung zu erfahren. Deshalb ging ich nach Kurdistan“ verrät uns der Kämpfer Baran.

Widerstand ist jedes Menschen Pflicht

Der legendäre Widerstand des kurdischen Volkes habe tiefe Achtung bei ihm hervorgerufen. Seinen Entschluss, dem Freiheitskampf beizutreten, erklärt uns der Guerillero mit folgenden Worten: „2014 begann der Kampf um Kobanê. Die Kräfte der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ leisteten mit ihren Kalaschnikows einen historischen Widerstand gegen die Belagerungsversuche Westkurdistans durch den Islamischen Staat. Zwar war ich auch Teil des kurdischen Volkes, doch fühlte ich mit dennoch fremd und abseits des Geschehens. Einige Zeit danach wurde ein Anschlag auf die HDP-Friedensdemonstration vor dem Hauptbahnhof in Ankara verübt. Dabei starb auch mein Onkel.

Dieses Massaker hatte mich zutiefst erschüttert. Meine innere Wut auf den faschistischen Staat wuchs immer mehr, während gleichzeitig mein Bewusstsein für den Widerstand aufkeimte, dem ich als Kind eines Landes, in dem mit Kriegen ganze Völker ausgelöscht werden sollen, verpflichtet bin. Von Zeit zu Zeit hatte ich mich an Aktivitäten der Jugend beteiligt, aber nach all den Massakern hielt ich es in diesem System nicht mehr aus.“

Kurdisch bei der Guerilla gelernt

Bevor er sich der Guerilla anschloss, habe er kein einziges Wort Kurdisch sprechen können. Doch Dank seines entschlossenen Willens sei es Baran überhaupt nicht schwergefallen, innerhalb kürzester Zeit die Muttersprache seines Vaters zu erlernen. „Aus einem Land zu sein in dem es verboten ist, seine eigene Sprache zu sprechen, erfordert große Verantwortung. Eine andere außer die Muttersprache kann ein Volk nicht symbolisieren“ sagt Baran.

Zu dem Lêlîkan-Widerstand in der südkurdischen Bradost-Region, an dem sich der Guerillakämpfer Baran Erdalan ebenfalls beteiligt, sagt er: „Der Kampf in Lêlîkan ist ein Kampf für die Würde. Hier wird mit menschlicher Intelligenz und Stärke gegen hochentwickelte Waffentechnologie des 21. Jahrhunderts Einhalt geboten. Der faschistische türkische Staat zielte auf eine dauerhafte Besatzung Südkurdistans ab. Diesen Plan haben die Türken mittlerweile bitter bereut. Wir als Guerilla haben es hier mit einer Armee zu tun, die allein auf ihre Technik baut und ihren Soldaten nicht über den Weg traut. Die eigene Armee ist diesem Staat kaum was wert. Hunderte Soldaten wurden in Lêlîkan getötet, über deren Tod die türkische Öffentlichkeit jedoch nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Die taktischen Züge der Guerilla sind aber bei Weitem noch nicht zu Ende. Wir sind fest davon überzeugt, dass der Sieg im Krieg um Lêlîkan uns gehören wird“.