Tarık Ziya Ekinci in Amed beigesetzt

Tarık Ziya Ekinci hat auf dem Friedhof in Bajarê Nû seine letzte Ruhestätte gefunden. Der kurdische Arzt, Politiker und Autor ist am Donnerstag im Alter von 99 Jahren in Istanbul verstoben.

DEM: Ein schwarzer Tag für das kurdische Volk

Tarık Ziya Ekinci hat auf dem Friedhof in Bajarê Nû in Amed (tr. Diyarbakır) seine letzte Ruhestätte gefunden. Unter den Trauergästen waren neben Familienangehörigen und Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft auch zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Der kurdische Arzt, Autor und ehemalige Parlamentsabgeordnete der Arbeiterpartei der Türkei (TIP) war vor drei Tagen im Alter von 99 Jahren in Istanbul gestorben.

Bakırhan: Ein großer Verlust für unser Volk

Bevor Ekinci begraben wurde, fand in der Şehitlik-Moschee eine Trauerfeier statt. Der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, sprach hinsichtlich des Verlusts von Ekinci von einem „schwarzen Tag“ für das kurdische Volk. „Tarık Ziya Ekinci war in seiner Gestalt ein Umriss der Kurdistan-Frage und ein Abbild all dessen, das sich im Spannungsfeld dieses Konflikts ergibt. Wie unzählige andere honorable Kurdinnen und Kurden, die für ihre Sache eingetreten sind und die kurdische Frage mit demokratischen Mitteln lösen wollten, wurde auch er verfolgt. Aber Tarık Ziya Ekinci war ein Kämpfer. Er wurde verhaftet, erlitt Folter, musste ins Exil und lebte ein Leben fern der Heimat und seiner Familie, aber er gab nicht auf. Er war in jeder Hinsicht ein Widerständiger, der sich niemals beugte und seinen Weg auf der Suche nach einer Lösung der kurdischen Frage trotz aller Widrigkeiten fortsetzte. Er hat uns ein großes Wissen hinterlassen. Als Volk fühlen wir uns ihm und seinem Werk verbunden. Wir versprechen, die von Tarık Ziya Ekinci an uns übertragene Fahne des Widerstands ehrend ins Ziel zu tragen; die vollendete Lösung der kurdischen Frage und dem Frieden in Kurdistan”, sagte Bakırhan.

PSK würdigt Ekinci als „kurdisches Denkmal“

Weitere Ansprachen kamen zunächst von Bayram Bozyel, dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Kurdistans (PSK). Der Politiker würdigte Ekinci als „kurdisches Denkmal“ und sagte: „Die Sterne am Himmel leuchten nun heller, da ein Stern von uns gegangen ist.“ Sezgin Tanrıkulu, Abgeordneter der türkisch-republikanischen CHP, sagte, Ekincis fast 100-jähriges Leben sei eine „Geschichte der Erinnerung und der Entschlossenheit“. „Er kämpfte für die Rechte seines Volkes, für Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie in der Türkei und vermittelte sein Wissen an alle.“ Der Vorsitzende der Ärztekammer in Amed, Veysi Ülgen, betonte: „Wenn heute Fragen und Themen wie Gesundheit in der Muttersprache, kostenlose Gesundheit für alle, öffentliche Gesundheit im Krieg auf der Tagesordnung stehen, dann ist dies Intellektuellen wie Tarık Ekinci zu verdanken.“ Nach den Reden wurde Tarık Ziya Ekinci im engsten Familienkreis zu Grabe getragen.

Wer war Tarık Ziya Ekinci?

Tarık Ziya Ekinci wurde 1925 in Licê in der Provinz Amed (tr. Diyarbakır) geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin in Istanbul und an der Université Paris. Nach seinem Abschluss 1949 arbeitete er in Licê, Amed und Istanbul als Arzt. 1957 schloss er seine Facharztausbildung für Innere Medizin ab und ließ sich in erneut in Amed nieder. Mehrere Jahre war er sowohl dort als auch in den Provinzen Mêrdîn (Mardin) und Sêrt (Siirt) Vorsitzender der örtlichen Ärztekammern. Er publizierte diverse medizinische Fachartikel und veranstaltete verschiedene Medizinerkongresse. Bis zu seinem Tod war er zudem Ehrenmitglied des Türkischen Ärztebunds (TTB).

Abgeordneter der TIP und Mitbegründer der DDKO

Neben der Medizin war Tarık Ziya Ekinci auch in der Politik aktiv. Er setzte sich für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage ein. So war er von 1957 bis 1960 Mitglied der Cumhuriyet Halk Partisi (CHP). Danach wechselte er zur Türkiye İşçi Partisi (Arbeiterpartei der Türkei, TIP). Er gründete den Sozialistischen Kulturverein (Sosyalist Kültür Derneği) mit und war der Vorsitzende der Sektion in Amed. Von 1965 bis 1969 war Ekinci Abgeordneter der TIP für Amed im türkischen Parlament. Innerhalb der TIP übernahm er mehrere Posten und war auch der Generalsekretär. Im Parlament war er der Fraktionsvorsitzende der TIP. Am 16. September 1967 prangerten kurdische Mitglieder der Partei das Ungleichgewicht zwischen West und Ost im Lande an. Dies geschah in Form der sogenannten „Ost-Treffen“. Diese Treffen bereiteten die Basis für die Gründung der Devrimci Doğu Kültür Ocakları (Revolutionäre Kulturvereinigungen des Ostens, DDKO). An der Gründung der DDKO war Tarık Ziya Ekinci aktiv beteiligt.

In Gefängnissen der Militärjunta

Nach dem Militärputsch vom 12. März 1971 in der Türkei wurde Tarık Ziya Ekinci wegen kurdischer und kommunistischer Propaganda gemäß Artikel 142 des türkischen Strafgesetzbuches zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er zwei Jahre in Amed absaß. Hinter den Gefängnismauern widmete er sich einer „linkssozialistischen Aufklärung“ der Jugend; dieses Engagement setzte er auch nach seiner Entlassung weiter fort. Nach dem Militärputsch im September 1980 wurde er gleich fünf Mal verhaftet. 1982 floh er nach Frankreich, wo er bis 1989 als Arzt arbeitete. Am 30. Juni 1989 kehrte er in die Türkei zurück, verbüßte seine restliche Haftstrafe und ließ sich in Istanbul nieder. Ekinci war auch Gründer der Organisation Demokratische Versöhnung und Initiative zu Lösung der kurdischen Frage („Demokratik Uzlaşma ve Kürt Sorununda Çözüm Girişimi“, kurz DEMOS) und Initiator zahlreicher internationaler Appelle für das Ende des Krieges in Kurdistan.

Berater der BDP und HDP

Tarık Ziya Ekinci verfasste zahlreiche Bücher über die Kurdistan-Frage und Wege zu ihrer Lösung sowie andere Konflikte, die mit dem Demokratie- und Menschenrechtsdefizit in der Türkei einhergehen. Auch schrieb er in mehreren Zeitungen und Zeitschriften des sozialistischen Lagers. Er war Mitglied im akademischen Beirat der „Politik-Akademie“ der kurdischen Partei des Friedens und der Demokratie (BDP), die als Nachfolgerin der zuvor verbotenen Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP) gegründet wurde und heute Partei der demokratischen Regionen (DBP) heißt. Auch gehörte er dem beratenden Gremium der HDP (Demokratische Partei der Völker) an.

Fotos: MA