Qendîl bereit für Newroz

Die Berggemeinde Qendîl in Südkurdistan bereitet sich auch in diesem Jahr auf eine große Newroz-Feier vor. Die ersten Gäste sind bereits eingetroffen, auch unser Südkurdistan-Korrespondent Rêbaz Hesen ist vor Ort.

Im Qendîl-Gebirge in Südkurdistan findet am 21. März eine große Newroz-Feier statt, zu der zahlreiche Menschen erwartet werden. Unser Südkurdistan-Korrespondent Rêbaz Hesen ist bereits vor Ort und hat die Vorbereitungen verfolgt.

Wie Mihemed Hesen als Ko-Bürgermeister der Berggemeinde Qendîl mitteilt, sind die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten abgeschlossen. Ein Teil der auswärtigen Gäste sei bereits eingetroffen: „Wir haben alle notwendigen Vorbereitungen getroffen, um Newroz in diesem Jahr angemessen feiern zu können. Der Festplatz ist bereit und die Versorgung unserer Gäste ist gewährleistet. Bei unserer Planung haben wir auch den Umweltschutz berücksichtigt.“

In Silêmanî sind Busse für eine gemeinsame Anreise nach Qendîl organisiert worden. Zudem sind zahlreiche Musiker:innen eingeladen worden. Nach Angaben des Vorbereitungskomitees werden Peyam Rojhilatî, Semîre Karzan, Ferşad Emînî, Niyan Abdullah, Hozan Kawa, Luqman Selîm, Kerîmxan Surçî, Jîna Seqizî und Koma Çiyayê Şengalê bei der Newroz-Feier auftreten.

Binarê Qendîl: Selbstverwaltung jenseits von Herrschaft

Die südkurdische Berggemeinde Binarê Qendîl ist ein Modell der radikaldemokratischen Selbstverwaltung. Das kommunale Leben wird auf allen Ebenen durch Räte organisiert, Probleme werden durch die Gesellschaft gelöst. Qendil ist bekannt für die Schönheit und Erhabenheit der Natur. Die Landschaft ist von gewaltigen Bergmassiven, verschlungenen Pfaden, grünen Wäldern und fruchtbaren Almen geprägt. Die Region mit ihren 63 Dörfern organisiert sich seit Jahren nach dem Modell der demokratischen Autonomie und den Grundprinzipien des geschlechterbefreiten Paradigmas der kurdischen Freiheitsbewegung. Binarê Qendîl besteht aus fünf Regionen: Navdeşt, Dola Şaroş, Qelatûkan, Maradu und Dola Baleyan.

Eine Insel der demokratischen Autonomie

Die Gemeinde ist von den Herrschaftsstrukturen des Iraks und Südkurdistans abgekoppelt und organisiert alles auf kommunaler Ebene. Die autarke Wirtschaft wird durch kollektive Produktion getragen. Dabei verfolgen die Menschen keinen lohn- oder profitbasierten Ansatz, sondern organisieren auf kommunale Weise eine Bedürfniswirtschaft. Das bedeutet, es wird das produziert, was die Menschen brauchen. Jegliche Probleme werden von Räten gelöst. Die Selbstverwaltung von Binarê Qendîl setzt sich aus dem Rathaus, dem Rat, den Frauenorganisationen und den Jugendorganisationen zusammen.

Aufbau einer demokratischen Gesellschaft

Die Institutionen der Selbstverwaltung stellen Problemlösungen in den Mittelpunkt und orientieren sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung. In den Dörfern wurden Schulen, Gebetsstätten, die alle Religionen respektieren, und Straßen gebaut. Probleme mit der Heiz-, Strom- und Wasserversorgung werden von den entsprechenden Institutionen der Selbstorganisierung gelöst, die Grundversorgung der Bevölkerung wird sichergestellt. In Binarê Qendil werden die Produkte aus der Landwirtschaft in kollektiver Arbeit geerntet und auf kommunale Weise verteilt. Vertreter:innen der Räte sind ständig unterwegs und besuchen die Menschen, um die Probleme der Bevölkerung erfassen und Lösungsansätze entwickeln zu können.

Binarê Qendil verfügt über Spielplätze für Kinder, Sportkomplexe für Jugendliche und Werkstätten für Frauen. Im Gegensatz zum Irak und Südkurdistan, wo das Strom- und Infrastrukturproblem seit Jahren nicht gelöst werden konnte, ist es in Binarê Qendil gelöst.

Das System des Ko-Vorsitzes

Alle Rätestrukturen, der Volksrat von Binarê Qendîl eingeschlossen, arbeiten nach dem Prinzip der genderparitätischen Doppelspitze. Demzufolge müssen jeder gemischten Struktur ein Mann und eine Frau vorstehen. Der Volksrat von Binarê Qendîl besteht aus 100 Vertreter:innen der Dorfräte. Alle zwei Jahre werden sowohl die Leitungskommission als auch Ko-Vorsitzende gewählt.

Der Volksrat von Binarê Qendîl

Die erste Konferenz des Volksrats von Binarê Qendîl fand am 23. Dezember 2017 im Dorf Enzê statt. In dem dort beschlossenen Statut heißt es: „Der Volksrat ist eine Institution der Gesellschaft, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Einwohner:innen der Region, den Dienst an ihnen und für die Schaffung sozialen Friedens einsetzt. Der Rat setzt sich für die gerechte Lösung von Problemen, den Schutz der Lebensräume und die Entwicklung regionaler Produkte ein. Er basiert auf einer harmonischen Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der Gesellschaft zum Wohle der Menschen.“