Mit viel Musik, ausgelassenem Tanz im großen Kreis und politischen Reden ist im südkurdischen Qendîl-Gebirge das Neujahrsfest Newroz gefeiert worden. Rund zehntausend Menschen hatten sich auf dem angestammten Festplatz in der Gemeinde Binarê Qendîl zusammengefunden, um gemeinsam das Alte hinter sich zu lassen und den Neubeginn zu empfangen. Eröffnet worden ist das neue Jahr mit der kurdischen Hymne „Ey Reqîb“ (Oh Feind). Das Newroz-Feuer wurde von den Müttern gefallener Kämpferinnen und Kämpfer der Guerilla entzündet.
Nationale Einheit entscheidend für Kurdistan
Dieses Jahr ist Newroz überschattet von den Besatzungsangriffen des türkischen Staates, die eine neue Eskalationsstufe erreicht haben. Daher wurde das Fest auch dazu genutzt, um auf die politische Situation des kurdischen Volkes aufmerksam zu machen. So wurde in Redebeiträgen festgehalten, dass eine nationale Einheit entscheidend für Kurdistan sei. Es wurde dazu aufgerufen, die Offensive „Schluss mit Isolation, Faschismus, Besatzung – Zeit für Freiheit“ auszuweiten, um die Aufhebung der verschärften Isolationshaft von Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali zu erwirken. Einige Kunstschaffende appellierten an die Guerilla und Peschmerga, gemeinsam zu kämpfen.
Scharfe Kritik an Hewlêr
„Newroz ist aus dem Widerstandsgeist des kurdischen Volkes entstanden und symbolisiert diesen bis heute”, hieß es in einer Botschaft des Volksrats von Qendîl. „Unser aller Hauptanliegen sollte es sein, eine innerkurdische Einheit aufzubauen. Nur wenn wir gemeinsam handeln, werden wir zu einer Nation, die in jeder Hinsicht an Bedeutung gewinnt. Wir müssen die innere Zersplitterung aus dem Weg räumen, um unsere Errungenschaften zu bewahren. Vermeiden wir persönliche und parteipolitische Konflikte.” Richtung Hewlêr (Erbil) formulierte der Volksrat Qendîl schwere Kritik. Angesichts der „tagtäglichen Angriffe der Türkei” auf die Zivilbevölkerung Südkurdistans bleibe die südkurdische Regionalregierung weiterhin „gleichgültig”.
KJK: PDK unterstützt türkische Kriegsführung in Südkurdistan
Die Koordination der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) hielt in einer Erklärung fest, dass der türkische Staat in Hewlêr „freie Fahrt” habe und als Mittel der psychologischen Kriegsführung sein Agentennetzwerk unbehelligt ausweiten könne. Die große Regierungspartei PDK leiste Ankara „aktive Unterstützung” im Kampf gegen den kurdischen Befreiungskamf, leiste Aufklärung und nachrichtendienstliche Informationsgewinnung. In Bezug auf kurdische Exil-Politiker und Aktivisten, die von der PDK an die Türkei wurden, hebt die KJK in ihrer Botschaft hervor: „Die PDK hat schon immer im Kampf gegen unsere Bewegung mit dem türkischen Staat kollabiert, allerdings im Verborgenen. Heute richtet sie sich ganz offen gegen die Kurdinnen und Kurden.”
Das „Aktionskomitee für die Freiheit von Abdullah Öcalan” erinnerte an Gerüchte in der Türkei über das vermeintliche Ableben des Vordenkers und erklärte, der PKK-Begründer sei „die rote Linie” des kurdischen Volkes.
Tevgera Azadî: Zeit für ein neues System in Başûr
Tara Hisên als Ko-Vorsitzende der Demokratiebewegung Tevgera Azadî war ebenfalls in Qendîl anwesend. In einer Ansprache unterstrich sie, dass der Autonomiestatus Südkurdistans nicht vom Himmel gefallen sei. „Es ist hart gekämpft worden, die Opfer, die Südkurdistan erforderte, sind schier unermesslich.” Doch die Regionalregierung scheine dies vergessen zu haben und betätige sich als „Unterdrücker der Stimmen jener, die Freiheit verlangen” – aktuell vor allem in der Behdînan-Region, so Hisên. „Das System ist am Boden. Es ist Zeit, eine neue Alternative für Südkurdistan zu etablieren.”
Tara Hisên von Tevgera Azadî
Das politische Urgestein Dr. Mihemed Emîn Pênciwînî erklärte, das kurdische Volk habe Abdullah Öcalan einen Eid geleistet: „Wir haben ihm versprochen, uns solange zu widersetzen, bis Kurdistan befreit und die Besatzung des türkischen Regimes beendet ist. Vorher werden wir nicht ruhen.” Die Frauenorganisation RJAK (Rêxistina Jinên Azad a Kurdistanê) sprach sich in ihrer Botschaft für einen nationalen Frauenkongress aus.
Mihemed Emîn Pênciwînî
Für Musik hatten zahlreiche kurdische Bänds sowie Sängerinnen und Sänger gesorgt, darunter Nasir Rezazî, Çopî Fetah, Diyar Dersim, Bextiyar Salih, Şîlan Osman, Koma Şehîd Serhed und Destîna Qendîl. Einige waren aus dem europäischen Exil angereist.