Polizei fordert zum Protest vor der HDP-Zentrale auf
Die türkischen Sicherheitskräfte fordern die Familien von Vermissten auf, vor der HDP-Zentrale in Amed zu protestieren.
Die türkischen Sicherheitskräfte fordern die Familien von Vermissten auf, vor der HDP-Zentrale in Amed zu protestieren.
Seit einigen Tagen sitzen Eltern vor der Zentrale der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Amed (Diyarbakir) und behaupten, ihre Kinder seien gewaltsam zur kurdischen Guerilla in die Berge gebracht worden. Die inszenierte Protestaktion begann mit der Geschichte eines jungen Mannes, der von seiner Familie bei der Polizei als vermisst gemeldet wurde. Seine Mutter ging von der Polizei zum HDP-Gebäude, schlug die Scheiben ein und forderte ihren Sohn zurück, der angeblich von Parteimitgliedern zur Guerilla gebracht worden sein sollte. Kurze Zeit später meldete sich der Betroffene selbst zu Wort und gab gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya an, dass er sein Elternhaus verlassen habe, um einer Zwangsverheiratung mit einer Verwandten zu entgehen.
Trotz dieser öffentlich gewordenen Manipulation durch die Polizei führen andere Familien ihren Sitzstreik vor der HDP-Zentrale fort. Die HDP hat von Anfang an erklärt, dass dieser Protest vom Staat inszeniert worden ist. Wie sich jetzt herausgestellt hat, werden Eltern, die ihre Kinder als vermisst melden oder von denen bekannt ist, dass sie bei der Guerilla sind, von den türkischen Sicherheitskräften vorgeladen und aufgefordert, sich an dem Protest vor dem HDP-Gebäude zu beteiligen.
So wurde ein Fall aus Êlih (Batman) bekannt. Eltern meldeten vergangene Woche ihren Sohn bei der Polizei als vermisst, weil er zwei Wochen lang nicht nach Hause gekommen war. Gestern wurden die Eltern zur Antiterrorpolizei vorgeladen. Dort wurde ihnen gesagt, dass ihr Sohn „mit 99-prozentiger Sicherheit in die Berge gegangen“ sei. Falls er die Grenze noch nicht überquert habe, werde die Polizei ihn finden, andernfalls werde die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) ihn in Südkurdistan ergreifen.
Den Eltern wurden Videos gezeigt, auf denen junge Menschen beim Grenzübertritt zu sehen waren. Sie sollten ihren Sohn darauf identifizieren. Da er im Video nicht zu erkennen war, forderten die Polizisten die Eltern auf, sich an dem Sitzstreik vor der HDP-Zentrale in Amed zu beteiligen. Die Mitglieder des Jugendrates der Partei wüssten, wo der Sohn sich aufhalte, behaupteten die Antiterrorpolizisten.
Protestierende Eltern von der Polizei mit Essen versorgt
Der Sitzstreik vor der HDP-Zentrale wird in den gleichgeschalteten Medien der Türkei groß aufbereitet. Die von den Sicherheitskräften an die HDP verwiesenen Familien werden von der Polizei mit Nahrungsmitteln versorgt. Unterdessen wurde bekannt, dass ein politischer Gefangener im Gefängnis von Bolu einen Selbstmordversuch unternommen hat, als er seine Mutter in den Medien bei der Protestaktion sah. Die Mutter wollte mit ihrer Teilnahme an dem Protest offenbar erreichen, dass ein weiterer Sohn, der als Guerillakämpfer in den Bergen ist, zu ihr zurückkehrt. Der gefangene Sohn überlebte seinen Selbstmordversuch, weil er rechtzeitig von Mitgefangenen entdeckt wurde und ihm im Krankenhaus der Magen ausgespült wurde. Anschließend wurde er in Isolationshaft gesteckt. Vorher ließ er seiner Mutter ausrichten, dass er seinen Suizidversuch wiederholen werde, wenn sie sich weiter von der Polizei manipulieren lasse.