Politischer Massenprozess in Dîlok endet mit Haftstrafen

Bei einem politischen Massenprozess in Dîlok sind 61 von 91 Angeklagten zu verschieden hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Insgesamt gab es knapp 340 Jahre Haft.

Der Massenprozess von Dîlok (tr. Antep) zur Zerschlagung der politischen und zivilgesellschaftlichen Organisierung von Kurdinnen und Kurden ist vorerst beendet. Für 61 der insgesamt 91 Angeklagten gab es am Donnerstag unter den üblichen Terrorismusvorwürfen verschieden hohe Freiheitsstrafen. Verhängt wurden 339 Jahre und sieben Monate Haft. Das Verfahren wurde vor der 2. Großen Strafkammer Antep geführt. Der Rechtsbeistand der Betroffenen hat Berufung angekündigt.

Angeklagt in dem von der Oberstaatsanwaltschaft Antep mit einer Festnahmewelle am 14. Juli 2020 eingeleiteten Verfahren waren Aktive aus den Strukturen der HDP, ihrer Schwesterpartei DBP, der Partei des Sozialistischen Wiederaufbaus (SYKP) und des Rates der Friedensmütter. Ihnen wurden unter anderem Aktivitäten für das Graswurzelbündnis „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD), die Teilnahme an öffentlich vorgetragenen Presseerklärungen des Menschenrechtsvereins IHD zum Thema Isolation in den Gefängnissen, die Mitgliedschaft im mittlerweile per Dekret verbotenen Sprachenzentrum Kurdî-Der, die Teilnahme an Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest Newroz und Grabbesuche bei politischen Gefangenen, die sich aus Protest gegen die Abschottung des PKK-Gründers Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali das Leben genommen haben, zur Last gelegt. Dem Repressionsschlag vorangegangen waren Observationen und Telefonüberwachungen.

Die Staatsanwaltschaft forderte wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und „Terrorpropaganda“ – gemeint ist die PKK – bis zu 1000 Jahre Haft für alle Angeklagten. Die Verteidigung argumentierte, dass es sich bei allen von der Anklage inkriminierten Veranstaltungen um legale Aktionen gehandelt habe, die nach türkischem Recht nicht mit Strafen belegt werden könnten, und forderte Freispruch. Nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung gab das Gericht seine Entscheidung bekannt.

Jeweils siebeneinhalb Jahre Haft wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft gab es für: Abdullah İnce, İsmail Berkpınar, Mehmet Özkan, Müslüm Kılıç und Selman Tutumlu. Weitere 47 Angeklagte sollen für sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Es handelt sich um: Ahmet İlbaş, Abdullah Açar, Ali Yıldız, Abdulmutalip Kılıç, Atiye Okay, Ayfer Doğan, Azime Balı, Bahri Yariş, Birgül Yıldırım, Bircan Demir, Cengiz Tunç, Durri Kaygusuz, Emin Kavak, Fatma Dikici, Fatma Lebe, Faik Dursun, Guli Yaman, Güler Erat, Habat Gengeç, Hamza Bayındır, Halil Kılıç, Hatice Küçüker, Habibe Öcal Tişkiya, Hasan Saran, Hurşit Besle, İbrahim Kaya, Mehmet Karayılan, Kasım Şan, Mahmut Aycan, Mehmet Aşkar, Mehmet Çiftçi, Mehmet Şahin, Mehmet Zeki Demir, Mustafa Tunç, Münevver Yılmaz, Nafi Demir, Nesibe Çınar, Nuray Göktepe, Ömer Faruk Koç, Remziye Erdem, Raziye Kuş, Sedika Yaman, Sultan Bayındır, Sevinç Selçuk, Şükrü Özalan, Tahir Altuğ sowie Songül Koçdağ, die Ko-Vorsitzende des HDP-Provinzverbands von Dîlok.

Insgesamt zehn Angeklagte wurden wegen des Vorwurfs Terrorpropaganda zu je zehn Monaten Haft verurteilt, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. 28 weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Anklage gegen Mustafa Yücel wurde nach dessen Tod fallengelassen.