Operation gegen KCD: Weitere Festnahmen in Meletî

Durch die kurdische Provinz Meletî fegt eine neue Repressionswelle gegen die Zivilgesellschaft. Nach mehreren Festnahmen in den letzten beiden Tagen sind auch heute wieder Oppositionelle unter dem Vorwurf, KCD-Delegierte zu sein, festgenommen worden.

Bei Razzien in der nordkurdischen Provinz Meletî (türk. Malatya) sind am Samstag fünf Oppositionelle bei einer gemeinsamen Operation von Polizei und Jandarma (Militärpolizei) festgenommen worden. Den Betroffenen wird vorgeworfen, Delegierte des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (kurd. Kongreya Civaka Demokratîk, KCD) zu sein. Bei den Festgenommenen handelt es sich um den Ko-Vorsitzenden des Kreisverbands der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Arxa (Akçadağ), Mahir Aslan, sowie Abuzer Adıyaman, Birgül Doğan, Aziz Doğan und Basri Aslan. Sie werden seit den frühen Morgenstunden im Polizeipräsidium der Provinzhauptstadt Meletî festgehalten. Womit sie konkret beschuldigt werden, war zunächst unklar.

Die Repressionswelle gegen vermeintliche Delegierte des KCD fegt bereits seit Donnerstag durch Meletî. In den letzten Tagen waren schon die Aktivist*innen Ali Piro, Azat İncesu, Fatma İncesu, Hüsamettin Kurultay, Sait Pektaş und Ali Yılmaz festgenommen worden. Sie befinden sich nach wie vor in Gewahrsam. Ob es bei einer polizelichen Vernehmung bleibt oder die Überstellung an ein Gericht erfolgen soll, ist noch nicht bekannt.

Was ist der KCD?

Der Demokratische Gesellschaftskongress fungiert als Dachverband politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen, religiöser Gemeinden sowie Frauen- und Jugendorganisationen. Er versteht sich als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu staatlichen Strukturen, der – gestützt auf Räte- und Basisdemokratie – Konzepte zur Selbstorganisierung der Bevölkerung und Alternativen der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet.

Projekt von Öcalan

Bereits im Jahr 2005 von Abdullah Öcalan als Projekt für die demokratische Organisierung der Gesellschaft vorgeschlagen, wurden zunächst große Diskussionsveranstaltungen durchgeführt, bis im Folgejahr die erste Vollversammlung organisiert wurde. Am 14. Juli 2011 fand in Amed ein Kongress mit über 800 Teilnehmenden aller ethnischen, politischen und religiösen Strukturen in Kurdistan statt. An die gemeinsame Erklärung der Versammlung anschließend wurde die Demokratische Autonomie ausgerufen. In dem veröffentlichten Modellentwurf werden acht Dimensionen aufgeführt: die politische, die juristische, die der Selbstverteidigung, die kulturelle, die soziale, die wirtschaftliche, die ökologische und die diplomatische. Die Satzung richtet sich nicht nach den Gesetzen der Türkei, sondern nimmt die demokratische Teilhabe der Bevölkerung als Grundlage.

Langjährige Zusammenarbeit der Regierung mit KCD beim Lösungsprozess

Obwohl der KCD als höchstes Gremium der Demokratischen Autonomie unmittelbar nach seinem Gründungskongress kriminalisiert und mit Ermittlungsverfahren überzogen wurde, arbeitete die türkische Regierung zwischen 2005 und 2014 intensiv mit dem Dachverband zusammen, um gemeinsam den damals möglichen Friedensprozess zu verhandeln. Der KCD wurde von der AKP sogar gebeten, an einer neuen Verfassung für die Türkei mitzuarbeiten. Der damalige Ko-Vorsitzende Hatip Dicle gehörte zudem zur sogenannten „Imrali-Delegation“, die im Rahmen des Lösungsprozesses eine Vermittlerrolle zwischen Abdullah Öcalan und der türkischen Regierung eingenommen hatte. Auch nachdem der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdoğan im Sommer 2015 die Friedensverhandlungen einseitig abbrach, wurde der KCD nicht verboten. Ein entsprechendes Verfahren scheint nun jedoch in Vorbereitung zu sein.